In Gambia berät das Parlament, ob das Verbot der Genitalverstümmelung von Frauen, das es seit neun Jahren gibt, aufgehoben werden soll. Verbreitet ist die Praxis der Beschneidung allerdings immer noch. Die freie Journalistin Katrin Gänsler berichtet über Westafrika und beobachtet, was da vorgeht.
SRF News: Das Parlament von Gambia berät darüber, weibliche Genitalbeschneidung im Gesetz wieder zuzulassen. Warum?
Katrin Gänsler: Ein Abgeordneter hat einen entsprechenden Gesetzentwurf Anfang März eingereicht. Er hält sehr viel Unterstützung von prominenten Muslimen, aber auch vom obersten muslimischen Rat. Der hat vergangenes Jahr eine Fatwa erlassen, in der es heisst, Allah habe die Beschneidung von Frauen angeordnet.
Dabei wird bewusst das Wort Beschneidung und nicht Genitalverstümmelung genutzt. Hintergrund der ganzen Debatte ist, dass es vergangenes Jahr erstmals Verurteilungen wegen Genitalverstümmelung gegeben hat.
Seit neun Jahren ist Genitalverstümmelung in Gambia offiziell verboten. Vergangenes Jahr kam es erstmals zu einer Verurteilung. Warum hat dies so lange gedauert?
Justizsysteme in ganz Westafrika arbeiten langsam. Es passiert zum Beispiel in einigen Ländern immer wieder, dass Menschen in Gefängnissen vergessen werden. Im Fall der Genitalverstümmelung ist es so, dass diese im Verborgenen stattfindet und offenbar weiterhin auch viel Befürwortung hat. Darüber gibt es keine Zahlen, aber man hört das.
Es gibt Mütter, die weiterhin wollen, dass das bei ihren Töchtern durchgeführt wird. Andererseits können sich Familien, die das ablehnen, kaum wehren. Letztlich stellt sich immer die Frage: Wer geht zur Polizei und wer erstattet Anzeige? Das ist schwierig. Eigentlich können das nur Aktivistinnen oder Nichtregierungsorganisationen machen.
Interessant ist, dass es aktuell diesen Generationenkonflikt gibt: Frauen sagen zunehmend, sie wollen nicht, dass Männer ihnen ihre Religion erklären.
Umdenken ist ein Thema in der Bevölkerung?
Ja, es ist eine ungewohnt lebhafte Debatte. Gambia hat etwa 2,4 Millionen Einwohner und Einwohnerinnen. Einerseits gibt es die konservativen Vertreter wie den obersten muslimischen Rat, die argumentieren mit dem Koran. Andererseits gibt es zunehmend junge Frauen, die weibliche Genitalverstümmelung ganz klar ablehnen, wie beispielsweise auch Zwangsehen von Minderjährigen.
Interessant ist, dass es aktuell diesen Generationenkonflikt gibt. Frauen sagen zunehmend, sie wollen nicht, dass Männer ihnen ihre Religion erklären. Die grosse Mehrheit im Land bekennt sich zum Islam. Damit kritisieren sie auch die männliche Bevormundung.
Sollte Gambia die weibliche Genitalverstümmelung wieder zulassen, ist es das erste Land, das diesen Schritt zurückgeht.
Diese Parlamentsdebatte rund um das Verbot der Genitalverstümmelung läuft seit dieser Woche. Was ist zu erwarten?
Das ist schwer zu sagen. Überraschend deutlich war Anfang der Woche die Entscheidung, dass das Gesetz, der Gesetzentwurf, weiter debattiert wird. Auf der anderen Seite gibt es diesen Druck von jungen Frauen, von Aktivistinnen, aber möglicherweise auch von internationalen Geldgebern. Gambia liegt im Entwicklungsindex der Vereinten Nationen auf Platz 174. Das heisst, das Land ist auf internationale Gelder und auch Kredite und Investitionen aus dem Ausland angewiesen. Tatsächlich gibt es ja auch den internationalen Trend, dass immer mehr Länder Genitalverstümmelung verbieten. Sollte Gambia die weibliche Genitalverstümmelung wieder zulassen, ist es das erste Land, das diesen Schritt zurückgeht.
Das Gespräch führte Romana Kayser.