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Ausstieg aus Atomabkommen «Putin war der einzige, der die Lage etwas beruhigen konnte»

Wegen bestehender Sanktionen hat der Iran das Atomabkommen bereits teilweise ausgesetzt, nun verschärfen die USA die Sanktionen erneut. Die Teilaufkündigung des Abkommens betrifft auch die zerrütteten Beziehungen zwischen Iran und Israel. Israels Premier Benjamin Netanjahu war von Anfang an ein entschiedener Gegner dieses Atomabkommens.

Gisela Dachs

Journalistin in Israel

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Die gebürtige Deutsche arbeitet als Journalistin und Publizistin in Israel. Sie ist zudem Professorin am DAAD Center for German Studies und dem European Forum an der Hebräischen Universität von Jerusalem. Sie lebt seit mehr als zwei Jahrzehnten mit ihrer Familie in Israel.

SRF News: Was bedeutet es für Israel, wenn Iran sich teilweise nicht mehr an das Abkommen hält?

Gisela Dachs: Das ist eine gefährliche Entwicklung, nicht nur für Israel selbst, sondern für die gesamte Region. Es könnte zu einem Rüstungswettlauf im Nahen Osten führen. Auch andere Länder fühlen sich von den Ansprüchen des iranischen Regimes bedroht.

Die Europäer müssen überzeugt werden, dass das Regime nicht nur für Israel, sondern für den Westen generell ein Problem ist.

Diese Länder könnten nun sagen, dass Teheran jetzt schon hochgerüstete Milizen besitzt, die bis nach Bagdad, Damaskus, in den Gazastreifen und den Jemen hineinreichen. Aus diesen Gründen könnten sie ebenfalls eine Atombombe fordern.

Mann vor Iranflagge.
Legende: Irans Präsident Hassan Rohani verkündete den Teilausstieg seines Landes aus dem Atomabkommen. Keystone/Archiv

Isrel will verhindern, dass der Iran eine Atombombe baut. Mit welchen Mitteln will Israels Premier Netanjahu dies erreichen?

In Israel hört man die iranische Rhetorik sehr oft, sie ist eliminatorisch. Kürzlich war gerade der Holocaust-Gedenktag, am Donnerstag wird der Unabhängigkeitstag gefeiert. Das Vokabular aus dem iranischen Regime wird von vielen sehr ernst genommen. Auch Israelis, die nicht auf Trumps Linie sind, streiten sich über die richtige Politik. Im Augenblick macht Israel vor allem Überzeugungsarbeit. Mann will anderen Ländern klarmachen, dass sie den Iran ernst nehmen sollen. Die Europäer müssen überzeugt werden, dass das Regime nicht nur für Israel, sondern für den Westen generell ein Problem ist. Es gab ja auch Anschlagsversuche in Europa des iranischen Geheimdienstes gegen Oppositionsaktivisten, die verhindert werden konnten.

Nehmen die Spannungen zwischen Israel und Iran zu?

Sicherlich. Wenn man zurückblickt sieht man, dass die Beziehungen zwischen beiden Ländern bis 1979 gut waren, einschliesslich Botschaften und diplomatischen Beziehungen. Die iranische Revolution hat aber den Kampf gegen Israel zur Staatsdoktrin erhoben.

Aus israelischer Sicht sieht man einen Krieg als allerletzte Option, nur wenn es keine andere Wahl gibt.

Hinzu kommt die Leugnung des Holocausts. Der Krieg hat seither immer andere Mittel angenommen. Zuletzt hat man das bei den Raketen des Islamischen Dschihads aus Gaza gesehen, die vor ein paar Tagen zu Hunderten auf Israel abgefeuert wurden. Der Islamische Dschihad ist loyal zu den Revolutionären Garden im Iran. Hier haben wir einen Stellvertreterkrieg, welcher sich noch verschärfen könnte.

Mann am reden.
Legende: Für Israel und Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ist ein Krieg mit Iran die letzte Option, meint Gisela Dachs. Keystone/Archiv

Ist eine friedliche Weiterentwicklung aus israelischer Sicht also nur ohne das Mullah-Regime möglich?

Am besten wäre es, wenn freie Wahlen möglich sind und sich die Leute anders entscheiden würden. Der Einzige, der es geschafft hat, die Lage ein wenig zu beruhigen, war Putin gewesen. Er hatte in Syrien erreicht, dass die iranischen Stützpunkte hundert Kilometer von der Grenze zu Israel entfernt bleiben.

Beobachter erklären, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis es zu einem offenen Krieg komme zwischen beiden Ländern. Halten Sie das für möglich?

In Syrien gab es bereits den ersten Schlagabtausch. Aus israelischer Sicht sieht man einen Krieg aber als allerletzte Option. Abschreckung funktioniert nur, wenn eine glaubwürdige militärische Option auf dem Tisch liegt. Hoffen wir, dass es bei diesen glaubwürdigen Abschreckungen bleibt. Anders mag man sich das im Augenblick gar nicht ausdenken.

Das Gespräch führte Salvador Atasoy.

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