326 Tage verbrachte der israelische Beduine Kaid Farhan Elkadi in Geiselhaft. Die Hamas entführte den Vater von elf Kindern, der im Kibbutz Magen als Wächter arbeitete, am 7. Oktober. Er stammte aus einem kleinen Dorf südlich der Beduinenstadt Rahat in der Negev-Wüste Israels, wenige Kilometer vom Gazastreifen entfernt.
Ein Augenschein am 9. Oktober in der Gegend zeigt, in was für einer schwierigen Situation sich die Beduinen Israels befinden. Ihre Ortschaften wurden schon vor dem Hamas-Angriff wiederholt von Raketen aus dem Gazastreifen getroffen. Die israelische Regierung hielt es nicht für nötig, in ihren Städten Luftschutzräume zu bauen. Keine Sirene warnt sie vor den Raketen. Die Folge: die Bevölkerung beklagt immer wieder Verletzte und sogar Tote, weil sie den Hamas-Raketen schutzlos ausgesetzt ist.
Am 7. Oktober wurden mindestens 19 Beduinen – Zivilisten und Soldaten der israelischen Armee – von der Hamas getötet. Und trotzdem sprachen israelische Politiker kaum über sie, und wenn, dann als Araber, nicht als Israeli: dieselben Politiker, die den Beduinen regelmässig Baubewilligungen verweigern und ihre Häuser abreissen lassen, weil diese illegal gebaut worden seien.
Wer sind die Beduinen in Israel?
Ursprünglich arabische Nomaden, sind die meisten der rund 200'000 Beduinen im israelischen Negev heute sesshaft. Sie sind muslimisch, viele von ihnen loyale israelische Bürgerinnen und Bürger, die teilweise auch freiwillig in der israelischen Armee dienen. Ihre Geschichte in Israel ist von Vertreibung, Rückkehr und Landstreit geprägt.
In den 1970er- und 1980er-Jahren baute Israel sieben Gemeinden für die beduinische Bevölkerung, anerkannte auch im Laufe der Zeit einige Beduinendörfer ausserhalb dieser Städte. Bis heute anerkennt Israel einige Beduinendörfer jedoch nicht und versucht diese unter massivem Protest zu zerstören oder schneidet sie von der Grundversorgung ab.
Beduinen werden in der Öffentlichkeit kaum als Opfer genannt
Am 9. Oktober in Rahat betrachten junge Beduinen die SRF-Reporterin misstrauisch. Sie getrauen sich kaum zu reden, weil sie nach dem Terrorangriff der Hamas als Araber unter Generalverdacht stehen. Gleichzeitig schlagen ständig Raketen aus Gaza in Rahat ein. Und sie beklagen die sechs Entführten aus ihren Reihen.
Nur: in der israelischen Öffentlichkeit werden die Beduinen zunächst kaum als Opfer genannt. Erst, als bekannt wird, wie viele Jüdinnen und Juden Beduinen am 7. Oktober vor der Hamas gerettet haben. Im März dieses Jahres wurden sie in einer offiziellen Zeremonie geehrt. Beduinen wie der entführte Kaid Farhan Elkadi, der als Sicherheitswächter in einem Kibbutz arbeitete. Und der heute von der israelischen Armee im Gazastreifen befreit wurde.