Rund 20 Monate nach Antragstellung und nach immer neuen Blockaden stimmte das türkische Parlament am Dienstagabend dem Beitritt Schwedens zum Verteidigungsbündnis zu.
Nun muss Präsident Recep Tayyip Erdogan den Beschluss noch einmal unterschreiben und dann im Amtsblatt veröffentlichen. Dass er unterschreiben wird, wird erwartet. Denn seine Regierungsfraktion hat die Zustimmung im Parlament vorangetrieben.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg rief Ungarn zum Nachziehen auf. Er zähle nun auch darauf, dass Ungarn seine nationale Ratifizierung so schnell wie möglich abschliesse.
Nach der rund anderthalbjährigen Querstellung habe Erdogan wohl seine politische Kalkulation verändert, sagt Thomas Seibert. Er ist freier Journalist in Istanbul. «Es ging in der Frage des schwedischen Beitritts nie um Schweden, sondern um das Verhältnis zwischen der Türkei und den USA.»
Erdogan hatte die Zustimmung seines Landes unter anderem an Kampfjetlieferungen aus den USA geknüpft. Bisher fehlt dazu aber weiterhin die Zustimmung des US-Kongresses.
Risiko mit möglichen aussenpolitischen Folgen
Erdogan nimmt das Risiko, die Flugzeuge nicht zu bekommen, mit dem jetzigen Entscheid in Kauf. Innenpolitisch würde ihn das wohl nicht stark tangieren, vermutet Seibert. Denn Erdogan habe die innenpolitische Lage gut im Griff.
Aussenpolitisch sieht es anders aus: «Erdogan hat sich innerhalb der Nato viele Feinde gemacht. Er hat viel politisches Kapital in sein Nein zu Schweden investiert. Wenn er jetzt nichts dafür bekommt, dann ist er international sehr geschwächt. Das wird sich möglicherweise auch auf sein Verhältnis mit Wladimir Putin auswirken.»
Die Türkei hatte ihre Blockade auch immer wieder mit einem aus ihrer Sicht unzureichenden Einsatz Schwedens gegen «Terrororganisationen» begründet. Dabei geht es Ankara vor allem um die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und die syrische Kurdenmiliz YPG.
«Das hatte die Funktion für Erdogan, die antiwestliche Stimmung in der Türkei anzufachen und bei diesem Thema zu nutzen. Aber substanziell ging es Erdogan immer um das Verhältnis zu den USA», sagt Seibert.
Verhältnis Türkei-Nato bleibt angespannt
Trotz des Einlenkens wird sich das Verhältnis zwischen der Türkei und der Nato wohl nicht langfristig entspannen, so Seibert: «Die Türkei wird im Grunde genommen bei dem Prinzip bleiben, die eigenen Interessen über die der Allianz zu stellen.»