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Berichterstattung aus Syrien Wie sich CNN von einem Assad-Schergen täuschen liess

Die Story über eine Befreiung eines Regime-Gegners geht viral. Doch Faktenchecker kommen dem Mann auf die Schliche.

CNN befreit Gefangenen vor laufender Kamera: Es ist ein kurioser Fernsehmoment : CNN-Reporterin Clarissa Ward ist auf der Suche nach einem verschollenen US-Journalisten in einem Gefängnis in Damaskus unterwegs. Plötzlich stösst die TV-Crew, begleitet von einem Rebellenkämpfer, in einer Zelle auf einen Mann, der sich unter einer Decke versteckt. Mit erhobenen Händen stellt sich der verängstigt wirkende Gefangene und umklammert die Hand der Reporterin. Der Journalistin gibt er zu Protokoll, er heisse Adel Ghurbal, stamme aus Homs und er sei seit drei Monaten ein Gefangener des Assad-Regimes. Die vermeintlich sensationelle Geschichte geht sofort viral.

Ein Scherge des Assad-Regimes: Doch schnell entstehen Zweifel an der Identität des Mannes. Mit seinem gepflegten Bart und seiner kräftigen Statur wirkt er nicht wirklich wie jemand, der seit Monaten in einem Foltergefängnis sitzt. Die syrische Faktencheck-Plattform Verify-Sy kommt der wahren Identität des Mannes auf die Schliche: In Tat und Wahrheit handelt es sich bei dem Mann nicht um einen Regime-Gegner, sondern um einen Offizier des syrischen Luftwaffengeheimdienstes namens Salama Mohammad Salama.

Gemäss der Plattform, die in der Türkei als NGO registriert ist und dem verifizierten internationalen Faktencheck-Netzwerk IFCN angehört, leitete Salama mehrere Sicherheits-Checkpoints in der zentralsyrischen Stadt Homs. In dieser Funktion soll er an Diebstählen und Erpressungen beteiligt gewesen sein und Einwohner dazu genötigt haben, als Informanten für das Regime zu arbeiten. 2014 nahm er der Plattform zufolge an mehreren Militäroperationen teil und war für die Inhaftierung und Folter zahlreicher junger Männer verantwortlich. Im Gefängnis soll er sich aufgrund eines Streits mit einem ranghöheren Offizier befunden haben. Demnach sass er weniger als einen Monat in Haft.

Auch CNN kam schliesslich nach einem Hinweis eines Bewohners aus Homs zum Schluss, dass es sich bei dem Mann um Salama handelt.

Westliche Medien instrumentalisiert: Klar ist, dass der renommierte TV-Sender und seine Starreporterin nach der Ausstrahlung des TV-Beitrags ziemlich alt aussehen. Der Fall zeige, dass Journalisten in Syrien sehr gut aufpassen müssten, sagt Islam-Experte Reinhard Schulze. Anhänger des Assad-Regimes hätten westliche Medien dazu instrumentalisiert, um in eine Art Opferrolle zu geraten. So habe sich auch Salama als Opfer des Regimes inszeniert, um dann ungeschoren davonzukommen. «Die Medien müssen aufpassen, dass sie nicht zum Handlanger der alten Ordnung werden», hält Schulze fest. Der Assad-Scherge wurde nach seiner Freilassung vom syrischen Halbmond betreut und zu Verwandten gebracht. Über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt.

Vorsicht bei Bildern und Videos: Islam-Experte Schulze mahnt zur Vorsicht bei der Interpretation von Bildern aus Syrien. Alle Interessensgruppen in Syrien – vor allem aber auch die Anhänger des alten Regimes – würden derzeit Bilder nutzen, um eine bestimmte Beurteilung der politischen Situation hervorzurufen, so Schulze. Für ihn selbst ist ein Ereignis aus der Region erst dann glaubwürdig, wenn es von zwei oder drei unabhängigen Quellen bezeugt wird. «Dann kann man zumindest von einer gewissen Wahrscheinlichkeit ausgehen, dass diese Bilder die Wirklichkeit repräsentieren», sagt Schulze.

CNN-Bericht

SRF 4 News, 18.12.24, 16:22 Uhr ; 

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