Darum geht es: Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski reist derzeit durch Europa. Er hat sich seit Samstag mit den Staatschefs und anderen wichtigen Landesvertretern von Italien, Deutschland, Frankreich und Grossbritannien getroffen, um die Lage in der Ukraine zu besprechen.
Was war das Ziel dieser Reise? «Selenski geht es darum, die Beziehung zu den einzelnen Staaten zu intensivieren», sagt SRF-Auslandredaktor und Ukraine-Kenner David Nauer. «Er schmiedet eine Art proukrainische Allianz mit den wichtigen europäischen Staaten.» Die Reise sei ein sehr starkes Signal. Bislang ist die USA die grösste Unterstützerin der Ukraine – und das wird sie laut Nauer auch bleiben –, doch nun wächst auch die Unterstützung aus Europa weiter. «Diese Diversifizierung ist sehr wichtig», sagt Nauer. So sichere man sich auch den Rückhalt bei den Nachbarn und verlasse sich längerfristig nicht auf einen einzelnen Partner.
Was konnte Selenski ausser Solidaritätsbekundungen erreichen?
- Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni sicherte der Ukraine weitere Unterstützung zu – und meinte damit auch Waffen und Munition. Sie warb zudem für eine Aufnahme der Ukraine in die EU.
- Bereits vor dem Besuch Selenskis in Deutschland hatte die Bundesregierung weitere Waffenlieferungen im Wert von 2.7 Milliarden Euro zugesagt. Unter anderem sollen 20 weitere Marder-Schützenpanzer, 30 Leopard-1-Panzer und vier Flugabwehrsysteme Iris-T-SLM bereitgestellt werden.
- Frankreich will weitere gepanzerte Fahrzeuge und leichte Panzer zur Verfügung stellen. Dutzende Kampffahrzeuge sollen in den kommenden Wochen geliefert werden. Paris konzentriert sich nach eigenen Angaben auch auf die Unterstützung der ukrainischen Luftabwehr.
- In Grossbritannien sagte Premierminister Rishi Sunak zahlreiche Flugabwehrraketen und Hunderte Kampfdrohnen mit einer Reichweite von mehr als 200 Kilometern zu. Damit könnten die ukrainischen Truppen auch Ziele auf der von Russland annektierten Schwarzmeerhalbinsel Krim treffen.
Bekommt die Ukraine jetzt auch Kampfjets? Selenski hat bei den Besuchen zum wiederholten Mal auf die Lieferung von Kampfjets gepocht. Sowohl der deutsche Kanzler Scholz als auch Frankreichs Präsident Macron reagierten jedoch zurückhaltend. Deutschland konzentriere sich auf die Unterstützung beim Verteidigungskampf. Auch Grossbritannien hat nach Angaben eines Regierungssprechers keine Pläne, der Ukraine Kampfjets zu liefern.
Selenskis Strahlkraft hält noch immer an. Das hat diese Europa-Tour gezeigt.
Wie reagiert Moskau auf die Auslandsvisiten? Im Rahmen von Selenskis Grossbritannien-Besuch äusserte sich Russland kritisch. Russland hält die aufgestockte britische Militärhilfe für die Ukraine nach eigenen Angaben für bedeutungslos für den Ausgang des Krieges. Die Entscheidung Grossbritanniens, Langstrecken-Marschflugkörper des Typs «Storm Shadow» und andere militärische Ausrüstung an die Ukraine zu liefern, sei «extrem negativ», teilt das Präsidialamt in Moskau mit. Die Lieferungen würden aber den Ausgang des Konflikts nicht ändern.
War die Reise ein Erfolg? Russlandexperte Nauer spricht von einem Coup, einer «diplomatischen Meisterleistung»: Der Besuch in den verschiedenen Staaten habe sich mit weiteren zugesagten Waffenlieferungen materialisiert. Und: «Selenskis Strahlkraft hält noch immer an. Das hat diese Europa-Tour gezeigt.»