Die chinesische Staatsreederei Cosco will sich an einem Terminal des Hamburger Hafens beteiligen. Am Deal ist zuletzt massive Kritik laut geworden: Man begebe sich bei kritischer Infrastruktur in eine zu grosse Abhängigkeit von China, heisst es. Welche Pläne China verfolgt, kann der Journalist Fabian Kretschmer einschätzen. Er lebt und arbeitet in Peking.
SRF News: Was wollen die Chinesen mit einer Beteiligung am Hamburger Hafen erreichen?
Fabian Kretschmer: Es geht für Peking sowohl um wirtschaftliche Interessen als auch um Interessen der nationalen Sicherheit. Wirtschaftlich macht es für grosse Reedereien Sinn, sich an Hafenterminals zu beteiligen, um Wettbewerbsvorteile zu erlangen. So könnte im Fall von Hamburg der chinesische Cosco-Konzern seine Container in einer Art «Fast Track» am Hafen wohl schneller abwickeln als heute. Eine Zunahme der chinesischen Importe nach Europa über Hamburg wäre wahrscheinlich.
Angesichts möglicher weiterer US-Sanktionen werden die Handelswege nach Europa für China immer wichtiger.
Längerfristig möchte China seine Lieferketten global absichern. Das tut Peking, indem es sich an der Infrastruktur überall auf der Welt beteiligt. Zudem drohen aus den USA mit dem sich zuspitzenden Konflikt weitere Handelssanktionen – deshalb werden die Handelswege zwischen China und Europa immer wichtiger.
Wie wichtig ist der Hamburger Hafen für China jetzt schon?
Rund ein Drittel des Umsatzes des Hamburger Hafens hat mit China zu tun. Ausserdem hat Cosco seine Europazentrale in Hamburg.
Aus europäischer Sicht beträgt das Handelsdefizit mit China derzeit rund 1 Milliarde Dollar – pro Tag.
Für China ist Europa die wichtigste Handelsregion, und Deutschland ist besonders wichtig für Peking. Das betrifft nicht den Umfang des Handels, sondern vor allem hochstehende und kritische Technologie. Dabei exportiert China viel mehr Waren nach Europa als umgekehrt: Das Handelsdefizit aus europäischer Sicht beträgt derzeit rund 1 Milliarde Dollar – pro Tag.
Wie berechtigt sind Befürchtungen, dass Peking Einfluss nehmen wird, wenn sich der chinesische Staatskonzern Cosco am Hamburger Hafen beteiligt?
Mit Cosco hat man es direkt mit Peking zu tun: Alle Konzernkader sind Mitglieder der chinesischen kommunistischen Partei. Der Konzern repräsentiert die Interessen des chinesischen Staates, was sich nicht von der Partei trennen lässt. Cosco ist in Europa bereits an rund einem Dutzend Häfen beteiligt. Im griechischen Piräus hält der Konzern sogar eine Mehrheitsbeteiligung.
China könnte in Piräus eines Tages das Löschen von Waren aus Taiwan stoppen – das ist sogar sehr wahrscheinlich.
Zwar gibt es bislang keinen krassen Fall von Einflussnahme in einem dieser Häfen. Doch Fälle aus Südkorea – dort setzte Peking alle Visa aus, weil das Land ein US-Raketenabwehrsystem installierte – oder aus Australien – das Land wurde von Peking massiv boykottiert, weil Canberra eine Untersuchung zum Ausbruch der Pandemie in China forderte – zeigen, dass Peking seine geballte wirtschaftliche Macht einsetzt, um politisch Einfluss zu nehmen. So etwas ist auch in Europa denkbar.
So könnte Peking eines Tages etwa das Löschen von Waren aus Taiwan in Piräus stoppen. Das ist sogar sehr wahrscheinlich. Man muss sich bewusst sein: Peking geht es mit seiner Handelsstrategie um gezielte, langfristige Interessen – und nicht um kurzfristige Unternehmensgewinne.
Das Gespräch führte Vera Deragisch.