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Bidens Wahlversprechen Gericht kippt US-Pläne für Schuldenerlass: Das steckt dahinter

US-Präsident Joe Biden wollte Studierende entlasten, indem er ihnen staatliche Studiendarlehen erliess. Mehr als 400 Milliarden Dollar hätte das den amerikanischen Staat insgesamt über die kommenden 30 Jahre gekostet. Doch das oberste Gericht hat entschieden, dass diese eigenmächtige Verordnung des Präsidenten nicht zulässig war. USA-Korrespondentin Barbara Colpi ordnet das Nein ein und beantwortet die wichtigsten Fragen.

Barbara Colpi

USA-Korrespondentin

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Barbara Colpi berichtet seit Juli 2022 als Korrespondentin für Radio SRF und News Digital aus den Vereinigten Staaten. Sie ist seit 2005 bei Radio SRF und begann als Redaktorin in der Sportredaktion, wo sie 2008 die stellvertretende Leitung übernahm. Im Frühling 2016 wechselte die studierte Sozialanthropologin auf den Korrespondentenposten nach Lausanne.

Hier finden Sie weitere Artikel von Barbara Colpi und Informationen zu ihrer Person.

Warum macht das Gericht Biden einen Strich durch die Rechnung?

Die sechs konservativen Richterinnen und Richter des neunköpfigen Supreme Courts sind der Ansicht, die Biden-Regierung habe ihre Befugnisse überschritten. Biden wollte aufgrund des Corona-Notstandes die nationale Notlage geltend machen, die ihm den Schuldenerlass möglich gemacht hätte. Nicht zuletzt aufgrund des hohen Betrags hätte es aus Sicht der Richter aber die Zustimmung des Kongresses benötigt. Das Gericht beruft sich also auf juristische Gründe.

Klar ist aber auch: Im Kongress wäre Joe Biden auf den Widerstand der Republikaner gestossen. Der republikanische Minderheitsführer im Senat, Mitch McConnell, hatte den Entschluss als «Studentendarlehen-Sozialismus» bezeichnet. Der Erlass dieser Schulden wäre ein Schlag ins Gesicht all derjenigen gewesen, die ihre Schulden zurückbezahlt haben oder eine andere Berufswahl getroffen hätten, um Schulden zu vermeiden, so McConnell.

Warum sind Studiendarlehen in den USA ein Politikum?

Weil sie Millionen von Amerikanerinnen und Amerikanern vor grosse finanzielle Herausforderungen stellen. Studiendarlehen gehören zum Alltag: Nur wer aus einer sehr reichen Familie kommt oder Stipendien erhält, kann studieren ohne sich zu verschulden. Nach Angaben des Bildungsministeriums haben Studierende nach einem Bachelorabschluss im Schnitt 25'000 Dollar Schulden. Daher wird immer wieder darüber debattiert, wie und ob der Staat den Studierenden unter die Arme greifen soll.

Was bedeutet der Entscheid für die Betroffenen?

Insgesamt hätten über 40 Millionen Menschen vom Erlass profitiert. Die Konsequenzen des Entscheids dürften sehr individuell ausfallen. Ich habe mit Menschen gesprochen, die mir erzählten, dass sie mit diesem Entschluss 15 Jahre nach ihrem Abschluss endlich schuldenfrei geworden wären. Daraus wird jetzt nichts. In einigen Fällen dürfte es auch um den Entscheid gehen, weiterzustudieren oder nicht.

Person hält Plakat mit der Aufschrift «End Student Debt» in die Höhe
Legende: Ein Protest vor dem Obersten Gerichtshof der USA in Washington DC (30.06.2023). IMAGO/Jack Gruber

Der Erlass der Studiendarlehen wäre aber nur ein Tropfen auf den heissen Stein gewesen, in einem Bildungssystem, in dem Geld eine zentrale Rolle spielt. Das beginnt oft schon in der Primarschule: Die öffentlichen Schulen werden auch von Spendengeldern der Elternschaft mitfinanziert. Diese finanzielle Beteiligung fällt in ärmeren Gegenden tiefer oder ganz aus. Daher haben die Schulen nicht denselben Standard.

Wie stark schadet der Entscheid dem Präsidenten politisch?

US-Präsident Joe Biden wird nun versuchen, die Schuld am Scheitern des Schuldenerlasses dem Supreme Court in die Schuhe zu schieben. Es ist aber fraglich, ob ihm das gelingen wird. Er wird wohl auch versuchen, auf einem anderen Weg sein Vorhaben durchzubringen. Der Entscheid des Supreme Courts schadet aber sicher seiner Glaubwürdigkeit. Der Schuldenerlass war zentraler Bestandteil von Bidens Wahlversprechen. Er dürfte es nun schwieriger haben, konkrete Versprechen glaubhaft und überzeugend zu vermitteln.

Echo der Zeit, 30.06.23, 18 Uhr ; 

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