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Bilanz nach 100 Tagen Trump John Bolton: «Viele Alliierte wissen oft nicht, was Trump will»

John Bolton war 2019 Nationaler Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump. Der konservative Republikaner gilt als sicherheitspolitischer Falke und ist bekannt für eine harte Linie gegenüber Nordkorea oder Iran und überwarf sich schliesslich mit Trump. Bei «Gredig direkt» spricht er über Trumps ersten 100 Tage im Amt und die neuen US-Zölle.

John Bolton

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John Bolton war ab 2018 während knapp anderthalb Jahren nationaler Sicherheitsberater unter US-Präsident Donald Trump. Bolton hat schon unter etlichen US-Präsidenten gedient, darunter etwa unter Ronald Reagan oder George W. Bush. Der Konservative gilt als sicherheitspolitischer Falke, berühmt-berüchtigt für seine knallharte Linie gegenüber Nordkorea oder Iran. In einem Buch schildert Bolton Trump als einen sicherheitspolitisch planlosen, sprunghaften Präsidenten, der nur auf den eigenen Vorteil bedacht ist. Er beschreibt auch, wie Trump 2018 um ein Haar den Austritt der USA aus der Nato erklärt hat.

SRF News: John Bolton, ist der sogenannte Liberation Day ein Beispiel für den Dealmaker-Charakter von Präsident Donald Trump oder war er einfach ein Fehler?

John Bolton: Das ist mehr als ein Fehler, es ist eine Katastrophe. Trump hat keine Ahnung, was er tut. Und ich verstehe, wenn man sich in Ländern wie in Ihrem Gedanken macht, mit Gegenmassnahmen zu reagieren. Aber hoffentlich können wir hier in Washington eine Lösung finden, um einen Handelskrieg zu verhindern. Wenn es zu einem Handelskrieg mit China kommt, sollten wir nicht auch noch mit unseren Alliierten auf Handelskriegskurs gehen. 

Oder, wie Sie in Ihrem Buch schreiben, auch mit befreundeten Staaten eine, Zitat, «verwirrende Politik im Flipperautomaten» zu betreiben. 

Das hat viel mit Trumps kurzer Aufmerksamkeitsspanne zu tun. Er springt in Gesprächen von Thema zu Thema, kann sich auf keines eine längere Zeit konzentrieren. Das führt dazu, dass sogar Freunde, Alliierte und selbst seine engsten Berater zum Teil nicht wissen, was er genau will. Das sieht man jetzt bei den Diskussionen um die Zölle sehr gut. Da sagt der Finanzminister eine Sache, der Handelsminister eine andere, und einige Stunden später widerspricht Präsident Trump gleich beiden!

Hoffentlich können wir eine Lösung finden, um einen Handelskrieg zu verhindern.

Das Tempo von Donald Trump ist enorm, auch in der Aussenpolitik. Sie nennen diese Politik erratisch und ineffektiv, es mangle an Kohärenz. Wie gross ist die Gefahr für die internationale Gemeinschaft? 

Ich bin sehr besorgt an mehreren Fronten. Zum Beispiel darüber, was er mit der Nato machen wird. Er war schon in seiner ersten Amtszeit sehr nahe an einem Austritt von diesem Bündnis und ich fürchte, dass er es in seiner zweiten Amtszeit tatsächlich tun könnte.

Er versteht schlicht nicht, wie Verteidigungsallianzen oder Handelspartnerschaften funktionieren. Trump ist eine Anomalie. Dass er zweimal als Präsident gewählt wurde, liegt mehr an der Schwäche seiner Gegner. Er schadet mit seiner Politik dem Vertrauen und dem Respekt, was wir uns über viele Jahrzehnte aufgebaut haben.

Was bedeutet das für den Krieg in der Ukraine? Wenn wir an das berüchtigte Treffen mit Präsident Selenski im Weissen Haus denken: Hat sich Trump endgültig von der Ukraine abgewandt?

Trump sieht die Aussenpolitik durch das Prisma seiner persönlichen Beziehungen mit anderen politischen Führungspersonen. Er denkt, wenn er sich gut mit Wladimir Putin versteht, dann sind auch die US-russischen Beziehungen gut. Das ist eine völlig simple Sicht der Dinge, aber so funktioniert Trump. Und umgekehrt: Wenn er sich nicht gut mit Wolodimir Selenski versteht, ist auch die Beziehung Washington-Kiew nicht gut.

Trumps Faszination für Autokraten folgt einem klaren Muster. Er will selbst auch ein «big guy» sein.

Trumps Faszination für Autokraten folgt einem klaren Muster. Er sieht diese politischen Machtträger und will selbst auch ein «big guy» und ihr Kumpel sein. Er meint, er sei ein Freund dieser Autokraten, aber ich bin sicher, diese sehen es nicht so. Für den alten Geheimdienstmann Putin ist Trump eine leichte Beute. Er hat ihn erfolgreich manipuliert, wenn es um den Krieg in der Ukraine geht.

Wer ist Donald Trump wirklich?

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In seinem Buch schreibt John Bolton, «Trump ist Trump». Aber was oder wer ist Trump wirklich und was will er? Bolton gehörte zum innersten Machtzirkel und schildert seine Erfahrung mit Trump: 

«Etwas ist wichtig zu verstehen: Trump hat keine eigentliche Philosophie, keine Strategie. Er versteht Politik nicht, wie wir sie verstehen. Für ihn ist alles transaktional, episodisch, ad hoc. Er sieht die Dinge wie durch einen Spiegel. Das heisst, wichtig ist für ihn vor allem, was für Donald Trump gut ist. Ich kann es nur so erklären. Trump ist ein vollständiger Anachronismus im Vergleich zu anderen Staatschefs und Politikerinnen in der Geschichte der USA und der westlichen Welt. 

Ich halte ihn nicht für eine existenzielle Bedrohung für die Demokratie, aber er richtet zweifellos Schaden an. Ich bin überzeugt, dass die Gerichte unabhängig bleiben werden.

Weniger gut sieht es hingegen im Kongress aus, weil die republikanische Mehrheit stark von Trump abhängig ist und sich nicht wehrt, obwohl sich das jetzt bei den Zöllen ändern könnte. Und wie sich die Demokraten derzeit verhalten, ist völlig unerklärlich. Sie scheinen fast im Koma zu sein und agieren nicht als Opposition.»

Ein anderes Beispiel ist Nordkoreas Kim Jong-un. Als Trump ihn 2018 traf, sagte er: «Wir haben uns verliebt.» Ich kann garantieren, Kim Jong-un sieht das nicht so. Leute wie er sind überzeugt, Trump kann ihnen geben, was sie wollen, und das ist höchst gefährlich – wir sprechen hier von unseren grössten Gegenspielern.

In Europa machen sich viele Sorgen. In den Äusserungen von Vizepräsident J.D. Vance an der Münchner Sicherheitskonferenz oder auch in den bekannt gewordenen Chat-Nachrichten kann man eine Verachtung für Europa herauslesen. Täuscht dieser Eindruck? 

Nein, es ist wohl tatsächlich so. Eigentlich ist es ein kindisches Verhalten der Regierung, aber das macht die Sache nicht weniger gefährlich. Es ist mir aber wichtig, zu unterstreichen: Das entspricht nicht der Meinung aller Amerikaner und Amerikanerinnen. Die Menschen haben Trump nicht gewählt, um sich von der Weltordnung zu verabschieden, welche die USA schliesslich mit kreiert haben.

Das Gespräch führte Urs Gredig. Mitarbeit Andrea Christener.

Tagesschau, 24.04.2025, 19:30 Uhr ; 

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