John Bolton war unter Donald Trump während anderthalb Jahren nationaler Sicherheitsberater der USA. Jetzt sagt er im Interview mit SRF: Sollte Trump gewählt werden, wird dieser die Nato fallen lassen.
SRF News: Was wird Trump tun, sollte er nochmals US-Präsident werden?
John Bolton: Ich glaube, er ist immer noch entschlossen, die Nato zu verlassen. Der Ukrainekrieg liefert ihm wohl weitere Gründe dafür – Trump hat Dinge gesagt, die überhaupt nicht im Sinne der Ukraine und der Nato waren. Ich hoffe, ich liege falsch. Doch für Trump geht es bei dieser Entscheidung nicht um die nationale Sicherheit. Er tut nur, was er für sich selbst für das Beste hält.
Noch längst nicht alle Nato-Staaten geben die versprochenen zwei Prozent des BIP für Verteidigung aus. Hat Trump also recht, wenn er die Europäer unter Druck setzt?
Das hat er. Auch ich habe unsere europäischen Verbündeten aufgefordert, mehr für Verteidigung auszugeben. Die USA geben etwa 3.5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung aus. Wir verlangen das nicht von anderen Nato-Mitgliedern.
Der Druck auf andere Nato-Mitglieder wird wachsen, mindestens drei oder vier Prozent aufzuwenden.
Aber wenn die Bedrohungslage so weiterbesteht, müssen die USA vielleicht fünf oder sechs Prozent für die Verteidigung ausgeben, wie zur Zeit von Präsident Ronald Reagan. Dann wird auch der Druck auf andere Nato-Mitglieder wachsen, mindestens drei oder vier Prozent aufzuwenden.
Wäre die Unterstützung der Ukraine durch die USA in Gefahr, falls Trump gewählt wird?
Das wäre sie, keine Frage. Trump hat erklärt, er könne das Ukraine-Problem in 24 Stunden lösen. Das ist natürlich lächerlich. Er sagte, er würde Präsident Selenski und Präsident Putin in einem Raum zusammensetzen und das Ganze aushandeln. Das würde scheitern. Aber Trump hat sich für unfehlbar erklärt.
Trump würde wohl etwas vorschlagen, das wahrscheinlich sehr vorteilhaft wäre für Putin und Russland.
Deshalb würde er jemanden anderes verantwortlich machen. Ich fürchte, er würde mit dem Finger auf Selenski zeigen. Wegen Trumps persönlicher Beziehung zu Putin würde er etwas vorschlagen, das wahrscheinlich sehr vorteilhaft wäre für Russland.
Wieso scheint Trump den autokratischen Machthabern derart stark zugeneigt zu sein?
Trump fühlt sich hingezogen zur Art, wie diese «Big Guys» regieren: Sie tun, was sie wollen, müssen sich nicht ständig mit einem Parlament herumschlagen oder mit Gerichten. Der Umgang mit Autokraten, die ihre Bevölkerung völlig kontrollieren, macht Trump mehr Spass, als der Umgang mit westlichen Politikern, denen demokratische Grenzen gesetzt sind.
Diese Autokraten wie Xi oder Putin halten Trump für ein leichtes Ziel.
Er würde auch gerne so herrschen wie Xi Jingping in China. Und diese Herrscher schmeicheln ihm. Darin sind sie sehr gut. Trump glaubt, dass, wenn er zum Beispiel eine gute persönliche Beziehung zu Putin hat, auch die Beziehungen zwischen den USA und Russland gut sind. Diese Autokraten verstehen, dass sie ihre eigenen nationalen Interessen vertreten müssen. Trump versteht das nicht. Und deshalb halten sie ihn für ein leichtes Ziel.
Es heisst, Trump würde sich in seiner zweiten Amtszeit im Weissen Haus mit loyalen Ja-Sagern umgeben. Wäre er in einer zweiten Amtszeit ungezügelter?
Ja. Er hat gesagt, er wolle sich an seinen Feinden rächen – und erklärt, er tue das für seine Anhänger. Das macht ihn unberechenbarer, womöglich also auch gefährlicher. Bei Entscheidungen wägt er häufig nur ab, was ihm politisch hilft. Das macht ihn in einer zweiten Amtszeit so gefährlich: Es wäre seine letzte Amtszeit, und er müsste sich nie mehr vor den Wählerinnen und Wählern verantworten.
Das Gespräch führte Andrea Christen.