«Da hat sich doch tatsächlich eine Frau in die Hose gepinkelt, weil sie es im vollen Regionalzug nicht durch die Menschenmenge zum Klo geschafft hat.» Mit dieser Bemerkung verkaufte der Mann im Kiosk das 9-Euro-August-Ticket. «Viel Vergnügen» quasi. Es wurde viel gespottet.
Und es brauchte eine Portion Tiefenentspannung während der Ferienzeit, etwa von Berlin nach Rostock: Aus der Grossstadt ans Meer zu fahren bedeutete: knappe drei Stunden stehend, im überfüllten Zug voller Gepäckstücke und Fahrräder.
Rechts fliesst einer Frau das Make-up übers erhitzte Gesicht und unter der vorgeschriebenen FFP2-Maske. Links sind Kinder mit Smartphones ruhiggestellt. Bollerwagen wurden rücksichtslos in die Menge gedrückt. Und wie ein Wunder fanden an jeder Station noch einige Personen zusätzlich Platz, in irgendeinem Winkel des Wagens.
Eine grosse Entlastung für viele
Bahnfahren kann schwer sein. Und doch war dieses 9-Euro-Ticket eine Erleichterung, eine Entlastung für viele. Eine ganze Nation war nach der belastenden Coronazeit in Bewegung. Der Verkehr auf den Strassen hat sich nicht in Luft aufgelöst – und doch soll etwa gleich viel Treibhausgas eingespart worden sein wie mit einem zwölfmonatigen Tempolimit auf deutschen Autobahnen, so die Schätzung der Verkehrsunternehmen.
Natürlich, das Ticket kann nicht besser sein als Bahn und Bus es sind. Die Unzulänglichkeiten des öffentlichen Verkehrs in Deutschland wurden deutlich sichtbar. Das Material ist überaltert, Züge sind oft verspätet oder fallen aus. Es fehlt an Personal. Der Bahnverkehr kam diesen Sommer immer wieder an seine Belastungsgrenze.
Wenn sich jemand über das Ende des Tickets freut, so sind es die Bahnangestellten, die auf einigen Strecken Grosskampfeinsatz leisten mussten. Und dort, wo es den ÖV nicht gibt, kann auch das 9-Euro-Ticket nichts bieten. Kein Wunder, dass die Aktion in den ländlichen Gebieten kaum Anklang fand. Aber für diese Menschen gab es den befristeten Tankrabatt.
Das megagünstige, superflexible Ticket darf als Erfolg gewertet werden. Wer hätte gedacht, dass sich dieses Angebot so rasch und unkompliziert umsetzen lässt? Das Entscheidende aber ist, es hat den öffentlichen Verkehr zum Thema des Sommers gemacht. Es hat die längst nötige verkehrspolitische Debatte an- und damit die Türen weit aufgestossen für eine nachhaltige Förderung des öffentlichen Verkehrs.
Es stellt sich denn auch nicht die Frage, ob das Billigticket eine Nachfolge brauche. Vielmehr stellt sich die Frage, wie diese aussehen soll. Über die Finanzierung streiten sich Bund und Länder bereits, denen Milliarden Euro fehlen für den öffentlichen Nahverkehr. Über den angemessenen Preis für die Fahrgäste streiten sich die Parteien.
Eine Vorlage für die Zukunft
Das Projekt ist eine Steilvorlage, um für die dringend nötige Klimawende auch die unverzichtbare Verkehrswende anzupacken. Für die Fortsetzung eines attraktiven Tickets braucht es eine nachhaltige Finanzierung. Und es braucht Investitionen für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, gerade in strukturschwachen Regionen. Das Billigticket kam erstaunlich gut in Fahrt. Dieser Anschluss aber darf nun nicht ausfallen.