Ab Anfang Juni bis Ende August soll in Deutschland ein «9-Euro-Ticket» für den öffentlichen Verkehr gelten. Das verbilligte Billett ist Teil eines Entlastungspakets, zu dem auch ein befristeter Benzinrabatt gehört.
Damit will die deutsche Bundesregierung die Bürger und Bürgerinnen entlasten, die sich wegen der steigenden Energiepreise mit höheren Kosten konfrontiert sehen.
Linke Politiker fordern Sonder-Sparbillette
Auch in der Schweiz solle eine Vergünstigung des ÖV eingeführt werden, um den hohen Benzinpreisen entgegenzuwirken, findet Nationalrat Matthias Aebischer (SP/BE). Er fordert ein Sondersparbillett, weil in der aktuellen Krise nicht das Autofahren günstiger werden solle, sondern die Nutzung des öffentlichen Verkehrs. «Deshalb finde ich die Idee des 9-Euro-Tickets super – das könnte in der Schweiz eine Tageskarte für den Sommer sein.» Wer diese dann braucht und zu welcher Zeit, könne man noch diskutieren.
Ich finde die Idee des 9-Euro-Tickets super – das könnte in der Schweiz eine Tageskarte für den Sommer sein.
Bei der Frage der Finanzierung sei entscheidend, ob die Vergünstigungen für bestehende ÖV-Nutzende gelten soll – oder ob es möglich sei, Autofahrende auf den öffentlichen Verkehr umzusteigen, sagt Aebischer. So gebe es zusätzliches Geld und der Bund könne auch mithelfen. «Statt Benzin und Diesel günstiger zu machen, soll der Bund so etwas machen.» Sein Anliegen will der SP-Nationalrat nächste Woche an den Bundesrat richten.
Wenig begeisterte ÖV-Verbände
Ueli Stückelberger, Direktor des Verbands öffentlicher Verkehr (VÖV), ist wenig begeistert von einem Sondersparbillett. «Wir haben ein gutes Angebot und wir wollen eine nachhaltige Lösung – das 9-Euro-Ticket ist es sicher nicht.»
Auch für den Verkehrs-Club der Schweiz (VCS) ist die Einführung eines befristeten Sonder-Sparbilletts keine gute Option. «In der Schweiz haben wir ein gut funktionierendes ÖV-System und wir haben viele Angebote, die schon funktionieren», sagt Geschäftsführer Andreas Gautschi. Mit dem verbilligten ÖV-Ticket würden viele Fragen aufgeworfen – zum Beispiel wäre nicht klar, für welche Strecken es gelten soll und für welche nicht. Ausserdem wäre nicht klar, was mit den bestehenden Abos passiert. «Es macht deshalb aus unserer Sicht keinen Sinn, mit so einer Hauruckübung zusätzliche Unklarheiten zu schaffen.»
Die Branchenorganisation des öffentlichen Verkehrs, Alliance SwissPass, bezeichnet gegenüber SRF die Finanzierung eines stark rabattierten Fahrausweises nach dem Vorbild des 9-Euro-Tickets als höchst unrealistisch. Vor allem vor dem Hintergrund der Coronakrise, als weniger Personen den ÖV nutzten und der Kostendeckungsgrad dadurch deutlich sank.
In der Schweiz dürfte es, wie es auch in Deutschland erwartet wird, zu Hauptverkehrszeiten oder an (touristischen) Hotspots rasch zu Auslastungsproblemen kommen.
Zudem sei die Auslastung der Transportmittel im Tagesverlauf grossen Schwankungen unterlegen. «Deshalb dürfte es in der Schweiz, so wie auch in Deutschland erwartet, zu Hauptverkehrszeiten oder an (touristischen) Hotspots rasch zu Auslastungsproblemen kommen. Ein Angebotsausbau wäre unvermeidbar, unter der Voraussetzung, dass dieser überhaupt machbar ist», schreibt Alliance SwissPass auf Anfrage.
Die ÖV-Verbände wie auch Matthias Aebischer sind sich aber in einem Punkt einig: Ziel müsse es sein, dass mehr Autonutzer den öffentlichen Verkehr nachhaltig nutzten.