Kolumbien hat nach Brasilien die zweitgrösste Biodiversität der Erde, immer wieder werden neue Arten entdeckt. Insbesondere seit November 2016: Nach der Unterzeichnung des Friedensvertrags mit der FARC-Guerilla eröffneten sich für Forscher neue Möglichkeiten. Sie haben wieder Zugang zu einigen der ehemaligen Guerilla-Gebiete, die während des Konflikts nicht zugänglich waren. Das gilt jedoch nicht für alle Landesregionen: Andere Guerilla-Gruppen, Drogenkartelle und Paramilitärs sind weiter aktiv und gewinnen an Macht.
SRF News: Sie haben mehrfach gefordert, die Umwelt in Kolumbien als Opfer des bewaffneten Konflikts anzuerkennen. Warum?
Rodrigo Botero: Die meisten geschützten Ökosysteme haben gelitten, etwa durch Anschläge auf Erdölpipelines und durch im illegalen Bergbau verwendete Chemikalien. Dazu kam das Versprühen von Glyphosat über Koka-Anbaufeldern durch das Militär, von Flugzeugen aus. Damit sollte eine der Finanzierungsquellen der Guerilla unterdrückt werden.
Für Wissenschaftler war es schwierig, sich während des Konflikts in diesen Gegenden zu bewegen. Was haben Sie nach dem Friedensschluss mit der FARC-Guerilla vorgefunden?
Wir haben erkannt, dass eine ganze Arche Noah besteht, die Forscher gerade erst entdecken. Viele geschützte Gebiete waren Rückzugsregionen für die FARC-Guerilla. Das hatte Einfluss auf deren Erhaltung, etwa in der Amazonasregion. Der Zuzug neuer Bevölkerung, Investorenaktivitäten oder auch die Ausweitung von landwirtschaftlichen Flächen waren eingeschränkt. So wurden gross angelegte Landnahmeprozesse und Abholzung verhindert.
Nach dem Friedensschluss bestand die Hoffnung auf einen besseren Umweltschutz in den ehemaligen FARC-Gebieten. Hat sich diese Hoffnung erfüllt?
Leider nein. Wir haben noch längst nicht die gesamte Biodiversität erforscht und sind schon dabei, sie zu verlieren. Andere bewaffnete Gruppen und Drogenkartelle sind in diese Regionen vorgedrungen. Sie erlauben eine noch nie dagewesene Ausdehnung der Weideflächen, den Eintritt von bedeutenden Kapitalgebern und den Zuzug von Bevölkerungsgruppen, die keine Rücksicht auf die Umwelt nehmen. Die Folge: Landgrabbing, Brandrodung, Drogenanbau, illegaler Goldabbau, oft im Zusammenspiel mit legalen Wirtschaftszweigen, mit denen das Geld gewaschen wird.
Die Weltmärkte lassen es zu, dass das Gold über Zwischenstationen, etwa im Nahen Osten oder Asien, in Länder wie die Schweiz gelangt.
Die Amazonasregion ist wichtig für das Weltklima. Was können andere Länder tun?
Die Schweizer Regierung hat grosse Anstrengungen unternommen, um die Gespräche mit den verschiedenen bewaffneten Gruppen zu begleiten und voranzubringen. Was jedoch entschlossener vorangetrieben werden könnte, ist die Arbeit an Mechanismen für die Rückverfolgbarkeit von Gold. Der illegale Goldabbau hat schwerwiegende soziale und ökologische Folgen. Die Weltmärkte lassen es jedoch zu, dass das Gold über Zwischenstationen, etwa im Nahen Osten oder Asien, in Länder wie die Schweiz gelangt. Die Schweizer Regierung könnte vermehrt Allianzen mit Ländern wie Kolumbien, Peru oder Ecuador schaffen, wo das Zusammenspiel von Gold- und Drogenhandel grosse Waldgebiete und die biologische Vielfalt zerstört.
Das Gespräch führte Karen Naundorf.