In Kolumbien läuft gerade die fünfte Runde von Friedensgesprächen zwischen der Regierung und einer Splittergruppe der Farc, die als grösste Guerilla des Landes im Juni 2016 als einzige ihre Waffen niedergelegt hat. 220'000 Tote und Millionen Flüchtlinge hatte der über 50-jährige Bürgerkrieg bis dahin gefordert.
Eine der Farc-Kämpferinnen war Victoria Sandino. Die kleine afro-kolumbianische Frau mit dem bunten Kopftuch und den knallbunten Fingernägeln entspricht so gar nicht dem gängigen Bild einer Rebellin. Doch der Schein trügt. Sie macht klar: «Ich war 24 Jahre lang Guerillera – bis zu den Friedensverhandlungen mit dem damaligen kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel Santos. Ich sass mit am Tisch.»
Wir Ex-Guerilleros können nicht zurück in ein normales Leben. Wir brauchen Garantien.
Bei der Farc stieg Victoria bis zur Kommandantin auf. Heute engagiert sie sich für den Frieden. Zum Interviewtermin erscheint sie mit mehreren Leibwächtern und sagt: «Wir Ex-Guerilleros können nicht zurück in ein normales Leben. Wir brauchen Garantien.»
Nach ihren Worten wurden seit dem Friedensvertrag vor acht Jahren rund 500 Ex-Rebellen erschossen – obwohl sie unterschrieben hatten. Das sei eine desaströse Nachricht für andere Guerillas: «Sie denken sich: Lieber sterbe ich mit der Waffe in der Hand und verteidige mich bis zum Schluss, als dass ich die Waffe niederlege und erschossen werde.»
Der Friedensvertrag sicherte Ex-Rebellen teilweise Straffreiheit zu. Manche Opfer des Konflikts greifen aber zur Selbstjustiz. Im Schnitt kommt in Kolumbien alle 48 Stunden ein politischer Aktivist ums Leben – darunter hunderte Ex-Guerilleros. Und das, obwohl mit Gustavo Petro sogar der aktuelle Präsident ein ehemaliger Guerillero ist.
Kämpferin für Frieden und Frauenrechte
Das Friedensabkommen verpflichtet einstige Farc-Mitglieder dazu, sich für den Frieden in Kolumbien zu engagieren. Für Victoria ist dies zusammen mit dem Kampf für die Rechte der Frauen zur Lebensaufgabe geworden. Seit sie ihre Waffe niedergelegt hat, erhält auch sie immer wieder Todesdrohungen.
Sie sei heute davon überzeugt, dass Verhandlungen der einzige Weg aus einem Konflikt seien, betont Victoria, die fast ein Vierteljahrhundert mit der Waffe gegen den Staat gekämpft hat: «Für mich hat jedes Volk das Recht, sich aufzulehnen – doch schau Dir diese asymmetrischen Kriege in der Ukraine oder in Palästina an.»
Ex-Rebell im Parlament: gegen Armut und für Bildung
Hätte jemand Pedro Baracutao vor zehn Jahren gesagt, dass er dereinst im kolumbianischen Parlament sitzt, hätte er wohl laut gelacht. Damals war der heute 51-Jährige ein Kommandant der Farc, für die er fast drei Jahrzehnte seines Lebens kämpfte: «Ja, ich war bei der Farc, weil ich die kolumbianische Verfassung ablehnte und auch die Ungerechtigkeit in unserem Land.»
Nun will er als Mitglied der Farc-Partei «Comunes» den Schwächsten der Gesellschaft helfen – mit dem Wort statt der Waffe. Sein Gesetzesvorschlag fordert, dass eine Hochschule in der mehrheitlich afro-kolumbianischen Region Chocó vom Staat als Universität anerkannt wird: Bildung statt Gewalt, Armut und Rassismus.
Ein umfassender Frieden in Kolumbien ist möglich.
Der Chocó grenzt direkt an Panama und ist eine der ärmsten Gegenden Kolumbiens. Rund ein Drittel der Studierenden im Chocó sind anerkannt als Opfer des bewaffneten Konflikts in Kolumbien. Pedro Baracutaos Vorschlag ist erfolgreich. Er dankt dem Parlament und ist überzeugt: «Ein umfassender Frieden in Kolumbien ist möglich.»