Im überfüllten Flüchtlingslager von Moria auf der griechischen Insel Lesbos hat es am Montag gebrannt. Dabei starb ein sechsjähriges Kind. Der Vorfall zeige, wie verletzlich die 20'000 Menschen dort seien – vor allem auch angesichts einer drohenden Coronavirus-Welle, sagt die Journalistin Rodothea Seralidou.
SRF News: Wie ist es zum Brand in Moria gekommen?
Die Ursache ist noch unklar. Griechische Medien berichten aber, das Feuer sei zu einer Zeit ausgebrochen, als viele im Camp ihr Mittagessen kochten. Gleichzeitig herrschte starker Wind, das Feuer konnte sich schnell ausbreiten. Mindestens zwei Wohncontainer und mehrere Zelte sowie selbstgebaute Hütten wurden zerstört, ein Kind konnte nur noch tot geborgen werden.
Im völlig überfüllten Lager auf Lesbos kommt es immer wieder zu Bränden. Wieso bekommt man dieses Problem nicht in den Griff?
In Moria leben mehr als 20'000 Menschen zusammengepfercht um ein Flüchtlingscamp, das eigentlich nur Platz für 3000 Menschen bietet. Es fehlt am Nötigsten, die Leute machen Feuer, um nicht zu erfrieren oder um Essen zu kochen.
Wenn im Camp ein Feuer ausser Kontrolle gerät, ist es schwer zu löschen.
Wer keinen Zugang zu Strom hat, versucht die Stromleitungen im Camp zu kappen und Strom zu ziehen, was zu einem Kurzschluss führen kann. Wenn im Camp das kleinste Feuer ausser Kontrolle gerät, ist es schwer zu löschen.
Wie gross ist die Angst vor einer Coronavirus-Epidemie im Lager Moria?
Die Angst ist gross – bereits gibt es einen ersten Corona-Patienten auf der Insel. Die Flüchtlinge und Migranten gehen im Camp ein und aus, fahren in die Stadt, kaufen im Supermarkt ein, sie könnten sich theoretisch jederzeit anstecken. Mittlerweile gibt es Helfer, die versuchen, die Leute im Camp über das Coronavirus und die nötigen Verhaltensänderungen in ihren Muttersprachen zu informieren. Dasselbe geschieht in den sozialen Netzwerken.
Das einzige Krankenhaus auf der Insel ist jetzt schon komplett überlastet.
In einem Camp mit so vielen Menschen auf engstem Raum will man sich wirklich nicht ausmalen, was passieren würde, wenn es dort auch nur einen einzigen Corona-Patienten geben würde. Oft reicht das Wasser nicht zum Duschen aus, Seife ist Mangelware. Es gibt überhaupt keine Möglichkeit zur Desinfektion, viele Menschen sind krank und ernähren sich schlecht. Das einzige Krankenhaus auf der Insel Lesbos ist jetzt schon komplett überlastet. Die Menschen in Moria hätten überhaupt keine Chance auf eine fachgerechte medizinische Versorgung.
Die Evakuierung wird gefordert, weil die hygienischen Zustände katastrophal sind – und jetzt kommt noch die Gefahr durch das Coronavirus hinzu.
Die Ärzte ohne Grenzen haben mit Blick auf die Pandemie die Evakuation aller fünf Lager auf den Inseln in der Ägäis gefordert. Wie kommt das bei den Behörden an?
Die Evakuierung wird nicht nur wegen der Corona-Gefahr gefordert. Die Forderung besteht seit Längerem, vor allem weil die hygienischen Zustände im Camp katastrophal sind. Das Coronavirus kommt zu all dem dazu und macht das Ganze noch dringender. Die Forderung findet bei der griechischen Opposition Gehör. Doch die konservative Regierung schweigt bisher. Auch jetzt, nach dem Brand und dem Tod des Kindes in Moria, hat der Migrationsminister zwar sein Beileid getwittert, konkrete Massnahmen hat er aber nicht angekündigt.
Es gibt für die Flüchtlingslager also auch keine Notfallpläne, falls sich das Coronavirus dort verbreitet?
Davon ist nichts bekannt. Die griechische Regierung hat im ganzen Land Schulen und Spielplätze geschlossen, damit die Bevölkerung geschützt wird. Doch die Menschen in Camps wie Moria scheinen überhaupt nicht auf der Agenda zu stehen – als wären sie Menschen zweiter Klasse.
Das Gespräch führte Claudia Weber.