Das englische Gesundheitswesen steckt in einer tiefen Krise – mit teils dramatischen Folgen für die Betroffenen. Lange Wartezeiten seien für hunderte Todesfälle verantwortlich. Das hat der Vizepräsident des Verbands der Notfallmediziner in Grossbritannien, Ian Higginson, in einem Gespräch mit der BBC bestätigt.
Die Notrufe nehmen zu, bei den Notfall-Diensten jedoch fehlt es an Zeit und Personal. Aufgrund der entstehenden Verzögerungen würden so bis zu 500 Menschen pro Woche sterben, sagt Higginson. Er warnte davor, die Schätzung als Übertreibung abzutun.
Seit Jahrzehnten zeige sich, dass lange Wartezeiten in Notaufnahmen «mit schlechten Ergebnissen für Patienten zusammenhängen», so Higginson. Der britische Verband der Notfallmediziner fordere, dass die Kapazitäten der Spitäler erhöht würden.
Das staatliche Gesundheitssystem ist am Anschlag
Die Krise des britischen Gesundheitssystems NHS, das hauptsächlich durch Steuergelder finanziert wird, ist ein Dauerthema in Grossbritannien. Im Winter wird die Situation meistens noch verschärft durch Erkältungskrankheiten und Streiks.
In diesem Jahr gibt es überdurchschnittlich viele Influenza-Fälle, die im Spital behandelt werden müssen. Auch die Zahl der Corona-Patienten in Kliniken steigt derzeit wieder stark an. Oft bilden sich vor den Notaufnahmen lange Schlangen von Rettungswagen, weil die Patienten nicht nahtlos aufgenommen und versorgt werden können.
Brexit verschärfe Personalmangel
Nach dem Verband der Notfallmediziner sind die Wartezeiten in diesem Winter so lang wie noch nie. Alleine im November mussten laut NHS knapp 38'000 Menschen mehr als zwölf Stunden in der Notaufnahme ausharren, bevor sie auf eine entsprechende Station verlegt wurden – dreieinhalbmal so viele wie noch im Vorjahr.
Grund für die Schwierigkeiten ist neben der Unterfinanzierung auch der Personalmangel, der unter anderem durch den Brexit noch verschärft wurde. Nach Angaben der NHS gibt es im britischen Gesundheitswesen 133'000 offene Stellen.