Die EU führt die Mittelmeer-Operation zur Überwachung des UNO-Waffenembargos gegen Libyen weiter – neu heisst sie «Irini». Dabei sollen etwa Schiffe überwacht werden, die Waffen an Bord haben könnten.
Eine Durchsetzung des Embargos wäre dringend nötig, um den Bürgerkrieg in Libyen zu beenden, doch bislang entfaltete das Waffenembargo keine Wirkung. Sicherheitsexperte Markus Kaim ist denn auch skeptisch, ob diese neue Mission etwas bringen wird.
SRF News: Kann die neue EU-Operation zur Überwachung des Waffenembargos gegen Libyen etwas bewirken?
Markus Kaim: Bislang ist es nicht gelungen, das Waffenembargo flächendeckend, also auch via Landesgrenzen und Flugverbindungen nach Libyen zu unterbinden. Von der neuen Überwachungsmission «Irini» werden diese Waffenlieferungen ebenfalls nicht berührt.
Warum ist es bislang nicht gelungen, das schon 2011 vom UNO-Sicherheitsrat beschlossene Waffenembargo durchzusetzen?
Das würde eine enorme militärische Operation erfordern. Die über 4000 Kilometer lange Grenze zu sechs Staaten sowie der Luftraum müssten überwacht werden, hinzu kommt der Anstoss ans Mittelmeer, der ebenfalls kontrolliert werden müsste. Technisch wäre eine solch umfassende Kontrolle zwar möglich, aber der militärische Aufwand dafür wäre enorm – und dazu sind weder UNO noch Nato noch EU bereit.
Der militärische Aufwand für eine wirksame Kontrolle wäre enorm.
Was kann getan werden, um die Waffenlieferungen an Libyen wenigstens zu verringern?
Die EU versucht mit der «Irina»-Mission, wenigstens die Waffenlieferungen über das Meer zu kontrollieren und die Lieferanten durch öffentlichen Druck von Lieferungen abzuhalten. Man könnte die Lieferländer allerdings auch mit Sanktionen belegen. Zu ihnen gehören die Türkei – sie unterstützt die von der UNO anerkannte Saradsch-Regierung in Tripolis sowie die Vereinigten Arabischen Emirate und Jordanien. Sie unterstützen Saradschs Gegenspieler, General Haftar.
Man könnte die Waffen-Lieferländer mit Sanktionen belegen.
Doch für internationale Sanktionen gegen diese Länder fehlt der politische Wille, vor allem, weil man diese Länder in anderen Konflikten braucht. Ohne die Türkei etwa lässt sich die Flüchtlingskrise wegen des Syrienkriegs nicht begrenzen.
Kritiker der neuen EU-Mission befürchten, dass angesichts der Präsenz der Schiffe vor der libyschen Küste wieder vermehrt Asylsuchende in seeuntüchtigen Booten in Richtung Europa starten könnten...
Das Einsatzgebiet der EU-Mission soll weiter östlich liegen. Man hofft so, den zentralen Schleuser-Routen übers Mittelmeer zu entgehen. Man möchte vermeiden, Flüchtlinge von sinkenden Booten aufnehmen zu müssen. Ausserdem hat sich Griechenland bereit erklärt, möglicherweise trotzdem gerettete Menschen an Land zu lassen. Dank diesem politischen Kompromiss konnte «Irini» mit den Stimmen einer Mehrheit der EU-Länder in Gang gebracht werden.
Manche Beobachter sehen Libyen am Abgrund.
Wie könnte es in Libyen weitergehen?
Das bleibt abzuwarten. Der Bürgerkrieg geht ungebremst weiter. Der erhoffte diplomatische Schwung der Berliner Konferenz ist verpufft. Die EU zeigt mit «Irini» zwar ihren guten Willen. Doch den Bürgerkrieg wird die Marinemission nicht beenden. Regelungen für eine Waffenruhe sind in weiter Ferne, und für eine politische Lösung fehlt jegliche Spur. Laut Einschätzung mancher Beobachter steht Libyen am Abgrund.
Das Gespräch führte Christoph Kellenberger.