In der Abflughalle des Flughafens von Bulgariens Hauptstadt Sofia schwärmt Flughafenchef Jesus Caballero von der neuen grenzenlosen Freiheit: «Viele Passagiere sind überrascht, dass es keine Grenze mehr gibt.»
Keine Grenze – das ist zwar übertrieben, aber immerhin ist Bulgarien seit Kurzem Schengen-Mitglied für Schiff- und Luftverkehr: Bulgarinnen und Bulgaren können so ohne Passkontrolle und Registrierung ihrer Daten in die meisten europäischen Länder fliegen, auch in die Schweiz. Umgekehrt entfallen auch für Ankömmlinge aus dem Schengen-Raum nach der Landung in Sofia die Kontrollen.
Innerhalb von drei Monaten hat Flughafenchef Caballero umbauen lassen. Neue Trennwände stehen, ein drittes Terminalgebäude ist geplant. Der Flughafen Sofia wird dank Schengen zum Bindeglied zwischen Europa und dem Nahen Osten.
Wir müssten dringend auch auf dem Landweg Schengen-Mitglied werden, sonst leidet die Wirtschaft.
Das freut die Passagiere, zum Beispiel ein bulgarisches Ehepaar auf dem Sprung in die Ferien nach Sizilien. «Wir haben lange darauf gewartet, dass Bulgarien dazu gehört. Aber wir müssten dringend auch auf dem Landweg Schengen-Mitglied werden, sonst leidet die Wirtschaft», sagt die Frau.
Österreich stellt sich quer beim Landverkehr
Was es heisst, auf dem Landweg nicht Schengen-Mitglied zu sein, begreift man an der Donaubrücke 2. Sie ist im Nordwesten einer der ganz wenigen Übergänge über die Donau nach Rumänien.
Hier wird vor der Überfahrt nach Rumänien und Westeuropa jeder Lastwagen kontrolliert. Kontrollen gibt es ausserhalb des Schengen-Gebiets auch für Autos und Fussgänger. Bulgariens Wirtschaft verliert deshalb laut Ökonomen jedes Jahr um die 500 Millionen Euro.
Der vollständige Schengen-Beitritt Bulgariens wird von Österreich blockiert. Wien befürchtet, dass sonst noch mehr Geflüchtete aus anderen Kontinenten über die Grenzen kommen.
Eine teure Ampel
Ein Lastwagenfahrer aus Polen steht in der Schlange vor der Donaubrücke, lehnt sich aus dem Fenster: «Diese Woche stand ich hier schon 15 Stunden im Stau. Die Lastwagen stauen sich oft auf bis zu 20 Kilometern.»
Neuerdings aber lenkt eine Ampel kurz vor der Brücke alle Fahrer auf einen Parkplatz. Auch er könne nicht ausweichen, sagt der Pole und umschreibt den Parkplatz als «Geldfabrik». Eine Nacht kostet für Nichtbulgaren 25 Euro.
Das private Gelände gehört einem bulgarischen Unterweltboss. Man verliert sich hier zwischen Rädern, Planen, Nummernschildern aus der Türkei, Litauen und Polen. Männer in Schwarz tauchen auf, mit denen man keinen Streit anfangen möchte.
Die Mafia nutzt die Zeit zum Abkassieren, bis Schengen auch auf dem Landweg kommt.
Einer, der Parkplatzchef, widerspricht sich innerhalb von ein paar Sätzen. Die Fahrer müssten nicht auf den Parkplatz und könnten bleiben, wo sie wollten. Auf den Einwand, dass zum Ausweichen eine rote Ampel überfahren und ein Einweiser ignoriert werden müsse, entgegnet er: «Die Ampel geht mich nichts an. Der Parkplatz dient der Sicherheit der Fahrer, sie dürfen nicht an der Strasse bleiben.»
Neben dem Parkplatz wartet Georgi Georgiew auf uns. Er vertritt die Industriekammer der Gegend. Und sagt, die Mafia nutze die Zeit zum Abkassieren, bis Schengen auch auf dem Landweg komme.
Sobald Bulgarien vollwertiges Schengen-Mitglied ist, dürfen Lastwagen hier einfach durchfahren, dann muss niemand mehr den Parkplatz benutzen. Lokale Politiker wollen jetzt wissen, wer dafür verantwortlich ist, dass die Ampel im Moment alle Fahrer auf den privaten Parkplatz zwingt. Bisher fühlt sich keine bulgarische Behörde zuständig.