Am Sonntag wählen die Bulgarinnen und Bulgaren zum fünften Mal innerhalb von nur zwei Jahren ihr Parlament. Seit zwei Jahren kommt entweder gar keine Regierung zustande – oder nur für kurze Zeit. Bulgarien ist zerrissen zwischen der Nähe zu Russland und der Orientierung Richtung Westen. Erst recht seit dem Krieg in der Ukraine.
Bei der letzten Wahl ging nur etwa ein Drittel jener wählen, die dürften. Wie ist die Stimmung in Bulgarien, was erhoffen sich die Einheimischen von der Wahl? SRF-Osteuropakorrespondentin Sarah Nowotny hat mit Menschen im ganzen Land gesprochen.
Zum Beispiel ist da eine Frau an der römischen Mineralwasserquelle mitten in der Hauptstadt Sofia. Die Quelle ist für die Menschen aus der Hauptstadt gratis. Sonst ist nichts gratis. «Manches hier in Sofia ist teurer als in Zürich. Ich weiss das, ich reise oft dorthin.» Ihre beiden Kinder lebten in der Schweiz.
Bulgarien in Europas Südosten ist ebenfalls klein und bergig. Es ist aber auch das Land mit den tiefsten Löhnen in der Europäischen Union und wohl mit der flächendeckendsten Korruption.
«Meine Freunde wählen längst nicht mehr. Ich muss es mir noch überlegen», erzählt die Frau. Auch dieses Mal bekommt wohl niemand genug Stimmen, um zu regieren. Weder die Anti-Korrupten noch die Pro-Russen, die alte Seilschaften erhalten wollen.
«Vielleicht sei es aber sogar besser, dass Bulgarien keine gewählte Regierung hat. Denn so kann niemand dumme Dinge entscheiden», sagt die Frau an der Quelle weiter. So denken viele. Man erwartet wenig vom Staat, man hilft sich selbst.
Weiter geht es ins Landesinnere, in die kleine Stadt Sopot. In einem kleinen Laden kauft eine einzige Kundin Brot, Milch und etwas für einen Eintopf. Mehr könne sie sich nicht leisten, sagt sie. Letztes Jahr betrug die Teuerung 15 Prozent.
Die Politikmüdigkeit war selten so stark wie heute. Und trotzdem sind sich Kundin und Verkäuferin einig. Sie gehen wählen, sonst können sie auch nichts fordern.
Mit Überzeugung wählen
An der türkischen Grenze sitzen ein paar Männer draussen vor ihrem Bier und bekommen einen Lachanfall wegen der Frage, ob sie wählen gehen werden. Natürlich nicht. Bis auf einen. «Ich hoffe, es bringt was, aber ich bin pessimistisch. Diese Hoffnungslosigkeit ist schlimm für die Kinder», sagt er. Viele junge Leute zögen in Scharen weg.
Ein Mann an der Mineralwasserquelle in Sofia sagt, er gehe bestimmt wählen. Irgendwann werde es besser. Irgendwann seien die Pro-Russen weg. «Nur so, mit Überzeugung, können wir wählen.»