Die Reise des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan durch die Balkanstaaten Bosnien-Herzegowina, Serbien, Kroatien in der zweiten Wochenhälfte hat aussen- und innenpolitische Ziele verfolgt. So wollte er einerseits seinen Einfluss in der Region festigen, betrachtet doch die Türkei Südosteuropa wegen des früheren Osmanischen Reichs noch immer als ihr Einflussgebiet und fühlt sich den Bosniern als Muslimen besonders verbunden.
Gerade Bosnien-Herzegowina erlebt aktuell wieder unruhige Zeiten. Erdogan betete am Grab von Alija Izetbegovic, der in den 1990er-Jahren bosnischer Staatschef war. Entsprechend bot er Bosnien seinen Vermittlerdienste bei den Spannungen mit Serbien an, wie Thomas Seibert, freier Korrespondent in Istanbul, berichtet.
Kritik an Dayton-Abkommen
Aber auch in Zagreb und Belgrad warb Erdogan für die türkische Vermittlerrolle. Dabei suggerierte er einmal mehr nach Kräften, dass die Türkei besser abschneiden könne als damals die USA, die in den 1990er-Jahren mit dem Dayton-Abkommen vermittelt hatten.
Erdogan ist gerade im Schwange als Vermittler zwischen Russland und der Ukraine. Auf dem Balkan will er es ähnlich machen.
Das Dayton-Abkommen machte Erdogan direkt für die aktuellen Probleme verantwortlich und erntete damit zumindest öffentlich keinen Widerspruch, wie Seibert sagt: «Erdogan ist gerade im Schwange als Vermittler zwischen Russland und der Ukraine. Auf dem Balkan will er es ähnlich machen.»
Klare wirtschaftliche Interessen
Die türkischen Wirtschaft steckt momentan in einer schweren Krise. Was die wirtschaftliche Bedeutung der Reise betrifft, so ist laut Seibert insbesondere die türkische Bauindustrie mit grossen Strassenbauprojekten auf dem Balkan stark vertreten. Entsprechend ungünstig wäre es, wenn die dortigen Spannungen in einen neuen Konflikt umschlügen. Deshalb auch das starke Eigeninteresse.
Erdogan konnte den türkischen Einfluss in der Region ausbauen.
Erdogan habe sich während dieser Reise einmal mehr als Mittler zwischen Ost und West präsentiert und das Beste daraus gemacht, bilanziert Seibert: «Dabei teilte der türkische Präsident auch mit Blick auf den Ukraine-Konflikt kräftig aus und warf dem Westen vor, Russland zu provozieren. Solche Kritik kommt in Serbien ganz gut an.»
In Serbien bot sich Erdogan zugleich als Vermittler mit Aserbaidschan an, wo es um Energiefragen geht. Nebenbei erledigte er noch ein paar Rüstungsgeschäfte, denn Serbien will türkische Kampfdrohnen kaufen: «Insgesamt war die Reise für Erdogan ein Erfolg», so Seibert.