Der Applaus war warm und Olaf Scholz ist im direkten Gespräch in kleinerem Kreis viel überzeugender als bei den «Triells» der drei Kanzlerkandidaten am Fernsehen. Deutschland sei gut durch die Coronakrise gekommen, sagt der Finanzminister. Die Regierung habe für den Kampf gegen die Pandemie 400 Milliarden Euro Schulden gemacht, doch die Staatsverschuldungsquote sei noch immer niedriger als bei anderen europäischen Staaten vor der Coronakrise.
Das kommt bei diesem Publikum gut an. «Er macht einen sehr kompetenten Eindruck», sagt ein Unternehmer. Umgekehrt kommt es nicht gut an, dass der Unionskanzlerkandidat Armin Laschet wegen der schlechten Umfragen auf Angriff schaltet. «Es ist für mich kein Standpunkt, wenn Kanzlerkandidaten, insbesondere Herr Laschet, versuchen, Boden gutzumachen, indem sie angreifen.» Die Deutschen mögen keine aggressiven Kandidaten.
In unruhigen Zeiten möchten viele – und das zeigt der gesamte Wahlkampf – eine ruhige Hand. Veränderungen ja, aber nicht zu viele. Dass Olaf Scholz immer wieder vage bleibt und auch Fehler zu verantworten hat, wird ihm verziehen. Denn die Konkurrenz, Armin Laschet der CDU und Annalena Baerbock der Grünen, sei noch schwächer, sagt ein weiterer Teilnehmer.
«Er ist sehr kompetent, überlegt sich viel. Er ist im Thema», sagt Nicole Urbschat, Fotografin und Besitzerin eines Fotostudios. Urbschat war 30 Jahre lang in der CDU, sogar in der sogenannten Mittelstandsvereinigung, die sich für KMU starkmacht. Vor zwei Jahren ist sie ausgetreten. Sie fühle sich nicht mehr von der CDU vertreten.
Er ist sehr kompetent, überlegt sich viel. Er ist im Thema.
Wie Nicole Urbschat wählt, ist vielleicht symptomatisch für die Stimmung in Deutschland. «Ich werde mit der zweiten Stimme auf jeden Fall FDP wählen. Die erste Stimme überlege ich mir noch. Herr Scholz als Direktkandidat der SPD ist mir sehr sympathisch.»
Die Antwort ist kompliziert, wie die Stimmungslage. In Deutschland gibt es zwei Wahlstimmen, die erste für einen Kandidaten, die zweite für eine Partei. Die erste Stimme will Nicole Urbschat vielleicht Olaf Scholz geben, der als Direktkandidat antritt, obwohl sie noch nie die SPD gewählt habe. Ihre zweite Stimme wird an die FDP gehen, eine ganz andere politische Partei.
Mittelständische Unternehmer und Unternehmerinnen erwägen, für einen SPD-Kanzlerkandidaten zu stimmen. Aber nicht, weil er restlos überzeugt, sondern weil seine Gegner schwach sind und weil mancher sagt, die Union habe in den letzten vier Jahren zu viele Fehler gemacht.
Sicherheit und Beständigkeit
Was man auch spürt und was die Fotografin Urbschat klar ausdrückt. «Es kommt nicht so sehr darauf an, wer Kanzler wird, sondern wer mit dem Kanzler regieren wird.» Die Deutschen möchten also Reformen, aber nicht zu viele. Deswegen haben die Grünen keine Chance. Deswegen ist Olaf Scholz, der Sicherheit und nicht zu viel Veränderung verspricht, in der Pole Position.
Die kleineren Koalitionspartner, Grüne oder FDP, sollen dann für die notwendigen Reformen stehen. Dass sich Olaf Scholz nicht klar von einer Koalition mit der Linkspartei distanziert, kommt bei den kleinen und mittleren Unternehmern in Teltow nicht gut an.
Das Stimmungsbild bei den Unternehmern ist ein recht gutes Abbild der Stimmungslage im ganzen Land. Scholz sieht wie der nächste Kanzler aus, aber nicht, weil er begeistert. Und noch ist die Wahl nicht gelaufen.