Es ist die berühmt-berüchtigte Schuldenbremse, um die es im Kern geht. Die deutsche Politik war stets erfinderisch mit Sondervermögen, mit ausgelagerten Schulden, die man an der Bremse vorbeimanövriert. Doch den Kniff, den die Ampelregierung sich erlaubte, lässt das Bundesverfassungsgericht nun nicht durchgehen.
Die Regierung hatte Geld, das für die Bewältigung der Corona-Krise bereitgestellt worden und übrig geblieben war, in den Klimafonds für Vorhaben bei der Energiewende geschoben.
Das gehe nicht, sagt das Bundesverfassungsgericht, weil dieser Nachtragskredit zu spät rückwirkend aufgestellt wurde – es sei ein zeitliches Problem. Weiter gehe es auch deshalb nicht, weil es für eine Ausnahme der Schuldenbremse eine Notlage brauche, so die Vizepräsidentin des Verfassungsgerichts, Doris König. Sie sagte: «Im vorliegenden Fall hat der Gesetzgeber den Veranlassungszusammenhang zwischen der festgestellten Notsituation und den durch die Notlagen-bedingte Kreditaufnahme finanzierten Massnahmen zur Krisenbewältigung nicht ausreichend dargelegt.»
Keine Notlage beim Klima?
Die Notlage konnte beim Klimafonds demnach nicht dargelegt werden. In diesem Klimafonds ist Geld, um Klimaschutzmassnahmen finanziell abzufedern. Ob mit einer besseren Begründung der Regierung der Klimawandel als Notlage durchgegangen wäre, weiss man nicht. Jedenfalls hatte das gleiche Gericht vor zwei Jahren entschieden, um den Klimawandel stehe es so schlimm, dass Deutschland vorwärtsmachen müsse mit Klimaschutz und diesen nicht länger auf die nächste Generation verschieben dürfe.
Jetzt tut sich vor der Regierung ein riesiges Loch auf: 60 Milliarden Euro fehlen, ausgerechnet im Klimafonds. Wenn die Grünen etwas aus Fehlern gelernt haben, dann – so werden sie nicht müde, zu sagen – dass man Klimamassnahmen sozial abfedern muss. Dafür ist der Klimafonds da, zur Förderung von Gebäudeisolation etwa, oder E-Mobilität. Dieses Geld ist daher wichtig bei der Transformation. Was zugesagt sei, werde auch eingehalten, sagte Wirtschaftsminister Habeck.
Ziele wieder infrage gestellt?
Die unter Spannung stehende Regierung wird nun herausgefordert, wie die 60 Milliarden ersetzt werden sollen, wenn man an den Zielen festhalten will. Alte Streitpunkte dürften wieder zur Debatte stehen.
Martin Kaiser, Geschäftsführer von Greenpeace Deutschland, nannte das Urteil beim Deutschlandfunk einen herben Rückschlag. «Da stehen wichtige Programme auf dem Spiel. Es ist Aufgabe von Bundeskanzler Scholz, mit seiner Richtlinienkompetenz klare Schwerpunkte in Richtung Klimaschutz zu setzen und zu schauen, wie man diese Lücke schliessen kann.»
Kanzler Scholz gab sich zusammen mit Wirtschaftsminister Habeck und Finanzminister Lindner kurz angebunden. «Wir werden den Richterspruch und seine umfassende Begründung und auch seine Folgen mit dem Deutschen Bundestag auswerten. Das Urteil hat möglicherweise Auswirkungen auf die Haushaltspraxis – nicht nur beim Bund, sondern auch in den Ländern.»
Fachleute loben, dass das Urteil erstmals einfordert, die Schuldenbremse korrekt einzuhalten. Und schliesslich sei in Zeiten, in denen stets von der Krise der Demokratie die Rede sei, etwas ganz wichtig zu erwähnen, sagte Politologin Andrea Römmele bei Welt TV: «Es ist ein ganz zentrales Element von gesunden Demokratien, dass sie den Rechtsstaat anerkennen.»