Wunsch nach Wandel: Deutschland geht es volkswirtschaftlich so gut wie seit 30 Jahren nicht mehr. Trotzdem möchten die Menschen einen Wechsel, wie die Landtagswahlen in Bayern vom Wochenende eindrücklich ankündigen: Die Volksparteien CSU und SPD sacken heftig ab, Grüne, AfD und Freie Wähler verschaffen sich überdeutlich Gehör.
Das «System Merkel»: Regieren nach dem Motto «Macht euch keine Sorgen, ich schaue für euch» hat sich offensichtlich überlebt. Die Menschen verlangen nach einer klareren Positionierung und stellen Merkel keinen Blankocheck mehr aus, wie Deutschland-Korrespondent Peter Voegeli erklärt. Die Zentrifugalkräfte in der Regierung nehmen zu. Entsprechend ungewiss ist die Zukunft der Grossen Koalition in Berlin unter Merkel, die im Dezember auch noch ihren Parteivorsitz verteidigen muss.
Bayern zum Auftakt: Die CSU hat in Bayern am Wochenende zwar eine historische Einbusse erlitten. Mit 37,2 Prozent ist sie aber nochmals relativ weich gelandet, reicht es doch für eine neue Koalition mit den inhaltlich sehr nahen Freien Wählern. Ungeachtet dessen dürfte das Resultat in Bayern Folgen für die Partei in der Bundesregierung haben.
Der Fall Seehofer: Allen voran Horst Seehofers Tage als Innenminister sind gezählt. Es könnte aber noch ein bisschen dauern. Denn er will nicht freiwillig abtreten. Zu seinem Sturz bräuchte es einen Sonderparteitag, der weitere Unruhe bringen würde. Auch sind potenzielle Nachfolger wie Bayerns Ministerpräsident Markus Söder noch nicht bereit.
Das steht in Hessen auf dem Spiel: Die Landtagswahlen in zwei Wochen werden zum Lackmustest für Merkel und ihre CDU. Zwar gibt es dort noch eine stabile Regierung von Schwarz-Grün unter Ministerpräsident Volker Bouffier, der Merkel auch in der Flüchtlingsfrage immer unterstützt hat. Umfragen prophezeien der CDU in Hessen aber Einbussen von gegen zehn Prozent, während die Grünen zulegen dürften. Schwarz-Grün wackelt also: «Bouffier muss Ministerpräsident bleiben – sonst kriegt Merkel ein sehr grosses Problem», sagt Voegeli.
Die weiteren Sorgen der Kanzlerin: Viele in der CSU machen Merkel für die Krise in der Partei verantwortlich. Dies könnte sich mit einer gewissen Verzögerung noch auswirken. Noch mehr beunruhigen dürfte Merkel aber die desolate Lage der SPD. Sie war mit ihrer Angst vor Neuwahlen und einem noch schlechteren Resultat als 2017 bisher eigentlich immer eine verlässliche Koalitionspartnerin.
SPD «bodenlos»: Jetzt aber zerfallen die Sozialdemokraten in den Umfragen auf Bundesebene. In Bayern fallen sie gar ins Bodenlose unter zehn Prozent, obwohl sie einen Teil ihrer Stabilität bisher aus der Verankerung in den Ländern holen konnte. «Wie lange die SPD das noch mitmachen kann, ist jetzt viel fraglicher als vorher», sagt Voegeli.