Es ist ein Schnappschuss, der alles auf einem Foto vereint: Da ist Katja Wolf, die erleichtert prustend Luft aus den Backen bläst. Und da ist Sahra Wagenknecht, die enigmatisch guckt wie Mona Lisa. Mit dem Hauch eines verkniffenen Lächelns, das die Augen nicht erreicht.
Als wüsste sie, dass an jenem Landesparteitag in Ilmenau, an dem ihr Bündnis grünes Licht für eine Koalition mit der CDU und der SPD in Thüringen gegeben hat, ein möglicher Kipppunkt erreicht ist. Dass zu viele Kompromisse in der Landespolitik ihre Aspirationen für das Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) auf Bundesebene torpedieren könnten.
Erste Brombeer-Koalition
Markenkern des BSW ist die Friedensfrage. Mit ihrem dezidierten Anti-Kurs – gegen den Krieg in der Ukraine, gegen Waffenlieferungen, gegen die Nato, gegen die Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen auf deutschem Boden – erreichte Sahra Wagenknecht bei den Landtagswahlen im Osten aus dem Stand Wähleranteile zwischen 11 und 16 Prozent. Und war plötzlich Königsmacherin, umgarnte Koalitionspartnerin für eine stabile Regierung.
Obwohl klar ist, dass weder in Sachsen noch in Brandenburg noch in Thüringen Aussenpolitik betrieben wird, machte Wagenknecht «Frieden» zur Bedingung, etwa Forderungen nach diplomatischen Bemühungen um ein Ende des Ukraine-Kriegs.
In Sachsen liess das BSW die Koalitionsgespräche mit CDU und SPD wegen ungenügend kriegskritischer Formulierungen platzen. Doch in Brandenburg kommt es zur ersten Koalition unter Führung der SPD, in Thüringen zur ersten Brombeer-Koalition von CDU, BSW und SPD, ein Farbenspiel nach dem Reifegrad der Frucht.
Realpolitikerin gegen Chefideologin
Der Weg dahin war mehr als steinig. Sahra Wagenknecht war es gelungen, den Linken mit Katja Wolf eine arrivierte Politikerin abspenstig zu machen. 12 Jahre lang war Wolf Oberbürgermeisterin von Eisenach, hatte sich durch ihre gradlinige, pragmatische Art Respekt und Anerkennung verschafft. Unzufrieden mit den Verhandlungen, kanzelte die BSW-Gründerin Wolf öffentlich ab, schaltete direkt in die Gespräche ein.
Am Krach zwischen Realpolitikerin und Chefideologin drohte der Koalitionsvertrag zu scheitern. In Extremis fanden sich gewundene Formulierungen, die zwar jede Partei anders interpretiert, die BSW-Chefin aber nun offenbar zufriedenstellen.
BSW im Dilemma
Der Streit um die Positionierung zeigt auf, dass das BSW im Dilemma steckt. Die Partei und damit Sahra Wagenknecht muss sich entscheiden zwischen Fundamentalopposition und Pragmatismus, zwischen knallhartem Wahlkampf für die vorgezogene Bundestagswahl und konstruktiver Zusammenarbeit mit CDU und SPD in Brandenburg und Thüringen.
Genau daran wird man die politische Überfliegerin und ihre neue Partei messen. An den konkreten Verbesserungen, die das BSW im Kleinklein des politischen Alltags für die Menschen erreicht.