«Ich bin ein Draussenminister», sagte Robert Habeck 2016. Man kannte den Landwirtschaftsminister von Schleswig-Holstein in Gummistiefeln bei Bauern und Fischern an der Nordseeküste. Dass der Grüne dort einen alten Streit zwischen Muschelfischern und Umweltschützern beilegen konnte, brachte ihm viel Respekt ein.
Beim Regierungspartner CDU war man angetan vom pragmatischen Realo. Der hatte für Geld auch ‘mal mit Schadstoffen belasteten Schlick aus dem Hamburger Hafen vor die Nordseeküste verkappen lassen.
Vom Schriftsteller zum Berufspolitiker
Weshalb der Philosoph und Schriftsteller in die Politik ging, wollte das Videoformat «jung und naiv» wissen. Der Vater von vier Jungs antwortete: «Fairness im Umgang miteinander, dass die Leute möglichst selbstbestimmt ihr Ding machen können und dass es Spielregeln gibt, die grösser sind als das eigene kleine Leben.»
2018 wechselte Habeck nach Berlin – übernahm mit Annalena Baerbock die Doppelspitze von Bündnis 90/die Grünen: Sie setzten den berüchtigten Flügelkämpfen zwischen Realos und Linken ein Ende. Für die Kanzlerkandidatur musste er der Frau den Vortritt lassen, was ihn nach eigenen Aussagen extrem geschmerzt hat.
Erst Liebling, dann Absturz
Als Wirtschaftsminister hatte er in der Ampelregierung einen steilen Einstieg: Habeck sicherte die Energieversorgung, als Putin das Gas abstellte. «Deutschland hat einen neuen Liebling», schrieb die konservative FAZ.
Soziologin Andrea Wolf sagte im ZDF zu Habecks Auftreten, man könne «von einem parteiübergreifenden Ansehen sprechen».
Habecks pragmatischer Kurs verlangte aber seiner Partei viel ab, denn er liess Kohlekraftwerke laufen, Flüssiggasterminals bauen und forcierte Waffenlieferungen. «Die Verantwortung um jeden Preis wollen», das sei, was die Grünen bräuchten, warb Habeck.
Sündenfall Heizungsgesetz
Das Heizungsgesetz im Frühling ’23 wurde zum Sündenfall. Es wurde wohl aus der Ampelregierung unfertig an die Medien geleakt. Die Pflicht für klimafreundliche Heizungen war schlecht kommuniziert und unsozial, ein Fehler, wie Habeck selbst sagte. Die Medien bespielten das Thema als «Habecks Heizhammer», der die Gesellschaft in die Armut treibe.
Von da an schlägt den Grünen Feindseligkeit entgegen. Habeck passieren Fehler beim Erklären wirtschaftlicher Zusammenhänge und eigener Ideen.
Doch der Vizekanzler profitiert von der Lücke, die Kanzlerin Merkel hinterlassen hat: Als einziger trifft er die Tonlage beim schrecklichen Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023.
«Habeckisierung der Sprache»
Habeck bemüht sich um Nähe, baut in seine Reden die eigenen Zweifel ein. «Habeckisierung der Sprache» nennt das Politologin Astrid Séville von der Uni Lüneburg. Das komme sehr demokratisch daher, sei aber auch autoritär. «Man immunisiert sich gegen Kritik, ich habe die Zweifel ja schon gesehen, bevor sie der andere formulieren kann.»
Die Selbstreflexivität adressiere sich ans eigene intellektuelle Publikum. Aber Habeck polarisiere, provoziere sogar Aggression. Die Kritiker sagten, «das sei arrogant, abgehoben, zu weich». Das liege wohl auch daran, dass «jemand wie Habeck sehr bewusst signalisiert, klug zu sein, die Herausforderung verstanden zu haben, auf Augenhöhe kommunizieren zu wollen».
Er wünschte sich nichts mehr, als als Kanzler Deutschland zu dienen, sagte Habeck einst. Es sieht nicht so aus, als ob sein Wunsch in Erfüllung geht.