Wehrhaft und zukunftsfähig: In Berlin schmieden Union und SPD an einer (nicht mehr ganz so) grossen Koalition. Ein zentrales Thema: Der Wirtschaftsmotor soll angekurbelt und die Bundeswehr massiv aufgerüstet werden.
Um mehr Geld in die Verteidigung stecken zu können, soll die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse gelockert werden. Ausserdem ist ein 500 Milliarden Euro schwerer Sondertopf zur Modernisierung der Infrastruktur geplant.
Die Entscheidung kommt überraschend, denn der wahrscheinlich künftige Kanzler Friedrich Merz (CDU) hatte noch vor einer Woche gesagt: «Es ist in der naheliegenden Zukunft ausgeschlossen, dass wir die Schuldenbremse reformieren.»
Dass es nun doch so kommt, kann als deutliches Zugehen auf den möglichen Koalitionspartner SPD und die Grünen verstanden werden. Denn beide hatten klargemacht, dass sie die Alternativlösung – ein höheres Bundeswehr-Sondervermögen – ablehnen.
«Whatever it takes»
«Damit hat Merz sein Wahlkampfversprechen, ohne Schattenhaushalte und Schuldenberge zu regieren, über Bord geworfen», sagt die deutsche Politjournalistin Claudia Kade. Merz stellt den Griff in die Staatskasse als alternativlos dar: Es müsse für die Verteidigung bereitgestellt werden, was immer nötig sei. «Angesichts der Bedrohungen unserer Freiheit und des Friedens auf unserem Kontinent muss jetzt auch für unsere Verteidigung gelten: Whatever it takes.»
So neu, wie sie Merz darstellt, sei die Gemengelage aber nicht: Der marode Zustand der Bundeswehr und der Infrastruktur sind lange bekannt. «Ihm dürfte schon im Wahlkampf bekannt gewesen sein, dass er enorme Summen investieren und wohl auch neue Schulden machen muss», schätzt Kade.
Die Wirtschaft und Finanzmärkte reagieren positiv auf die Investitionsoffensive. Top-Ökonom Jens Südekum sprach gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters von einem «Gamechanger». Das Paket könne die jahrelange Stagnation der Wirtschaft beenden: «Deutschland ist wirtschaftlich und militärisch wieder handlungsfähig.»
Allerdings gebe es auch kritische Stimmen von Ökonomen, berichtete Kade. Der Tenor: Wer die Finanztöpfe öffnet, soll auch darüber sprechen, wo man Subventionen abbauen kann. Es brauche auch den Willen zu Einsparungen, um die Staatsfinanzen im Lot zu halten.
Koalitionäre drücken aufs Tempo
Die SPD nimmt die Bereitschaft der Union, massive Investitionen aufzugleisen, wohlwollend auf. Die Milliardeninvestitionen dürften auch als Schmiermittel dienen, um baldmöglichst eine neue Regierung in Berlin einzusetzen. «In Deutschland ist es seit jeher ein probates Mittel, inhaltliche Gräben mit Geld zuzuschütten», schliesst die Ressortchefin Politik der «Welt».
Union und SPD wollen die geplanten Änderungen kurzfristig mit den Mehrheiten des alten Bundestages beschliessen. In diesem kommen Union, SPD und Grüne auf rund 71 Prozent der Stimmen, also die nötige Zweidrittelmehrheit für die Schritte. Im künftigen Bundestag hätte es wohl die Zustimmung der erstarkten AfD gebraucht. Ein Szenario, das die Koalitionäre offenbar vermeiden wollen.