Es ist ein Fiasko für die Sozialdemokratie. Die SPD fährt mit 16.4 Prozent das schlechteste Wahlergebnis in ihrer Historie ein. Ein solches Debakel hat in der Regel personelle Konsequenzen. Nicht so bei der SPD. Kanzler Olaf Scholz übernimmt allein die Verantwortung. Bis zur Amtseinführung seines Nachfolgers bleibt er geschäftsführend im Amt und wird dann künftig wieder als einfacher Abgeordneter im Bundestag sitzen.
Die Co-Parteispitze mit Saskia Esken und Lars Klingbeil allerdings bleibt an ihren Sesseln kleben. Klingbeil will im Wahlkampf gemerkt haben, dass «die Menschen die SPD schätzten, auch wenn sie die diesmal nicht gewählt hätten.» Na ja.
Andere Parteien sind da konsequenter. Die Grünen kommen mit 11.6 Prozent zwar mit einem blauen Auge davon, liegen aber weit unter dem von Spitzenkandidat Robert Habeck vorgegebenen Ziel und müssen in die Opposition. Die ist so gar nicht nach Habecks Geschmack. Angetreten mit dem Motto «Kanzler werden, Mensch bleiben», begräbt er nun seine hochfliegenden Pläne und will bei den Grünen künftig «keine führende Rolle» mehr spielen.
Quo vadis, FDP?
Die FDP erhielt nicht ganz unerwartet die Quittung dafür, dass sie dreieinhalb Jahre lang Sand ins Getriebe der Ampelkoalition gestreut und deren Aus provoziert hat. Die Liberalen scheitern deutlich an der 5-Prozent-Hürde und fliegen aus dem Bundestag.
Da die FDP eine eigentliche Ein-Mann-Partei ist, nimmt auch die Karriere von Parteichef Christian Lindner ein abruptes Ende. Unter wessen Führung die FDP sich neu sortiert, ist noch unklar. Im Gespräch sind Marie-Agnes Strack Zimmermann, die FDP-Geheimwaffe im Europaparlament. Und Wolfgang Kubicki. Dabei hatte sich der 72-Jährige doch aus der aktiven Politik zurückziehen wollen.
Schuld sind die anderen
Auch Sahra Wagenknecht mag sich offenbar nicht mehr an ihre Ansage von letzter Woche erinnern. Sie hatte ihr Schicksal ans Wahlergebnis geknüpft, deutlich gemacht, dass eine Partei, die nicht im Bundestag sitze, «in der deutschen Politik kein relevanter Faktor mehr sei». Nun hat das BSW den Einzug haarscharf verpasst, es fehlten 0.03 Prozentpunkte oder gut 13‘400 Stimmen, um ins Parlament einzuziehen.
Die Schuld daran sieht Wagenknecht bei allen andern, bei querulantischen Mitgliedern, bei den Umfrageinstituten, die das BSW kleingerechnet hätten, bei den bösen Medien. Wagenknecht will das Wahlergebnis womöglich anfechten. Sie zweifelt die Rechtmässigkeit an, weil viele Ausland-Deutsche die Wahlunterlagen nicht rechtzeitig erhalten hatten. Allerdings beinhaltet das Wahlrecht kein Recht auf bequeme Briefwahl.
Comeback des Jahres
Die Linke, durch die Abspaltung von Wagenknecht in die parlamentarische Bedeutungslosigkeit gestürzt, erhebt sich wie Phoenix aus der Asche. Die Linke holte 8.8 Prozent und schafft damit den Sprung über die 5-Prozent-Hürde deutlich. Co-Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek kündigte eine «soziale Opposition» an, man werde weiter für die Wahlkampfthemen der Linken kämpfen, für einen Mietendeckel und sozialen Wohnraum.
Für die Union, die mit 28.5 Prozent die Wahl klar gewonnen hat, ist der Einzug der Linken ein Problem. Zusammen mit der AfD verfügt sie über eine Sperrminorität, die sich zum Beispiel bei der Reform der Schuldenbremse als fatal erweisen könnte. Die Linke stimmt einer Aufweichung zwar zu, aber nicht für neue Waffen an die Ukraine. CDU-Chef Friedrich Merz will nun Gespräche mit SPD, Grünen und FDP führen. Um eine Reform der Schuldenbremse noch im alten Bundestag durchzupauken.