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Stefan Kobus: DDR und AfD – Wie tickt der Osten?
Aus Tagesgespräch vom 24.09.2024. Bild: zvg
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Deutschlands Osten «Die Menschen aus Ostdeutschland sollten ernst genommen werden»

Warum ist die AfD im Osten Deutschlands so stark? Stefan Kobus ist Chefredaktor der Zeitschrift «Super Illu». Er kennt das Befinden der Menschen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg.

Stefan Kobus

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Stefan Kobus ist Chefredaktor der Zeitschrift «Super Illu». Das ist die meistgelesene Zeitschrift in Ostdeutschland und steht wie kein anderes Magazin für die Seele des Ostens.

SRF News: Sind die Ostdeutschen zufrieden mit den Wahlergebnissen?

Stefan Kobus: Die Mehrheit sicher nicht. Wenn 30 Prozent AfD wählen, wählen 70 Prozent nicht die AfD. Sinnbildlich dafür ist auch, dass laut Umfragen in Brandenburg Menschen die SPD gewählt haben – nicht aus Überzeugung, sondern um zu verhindern, dass die AfD stärkste Kraft wird.

Wählen die Menschen die AfD trotz oder wegen des teils rechtsextremistischen Gedankengutes einiger Parteifunktionäre?

Darüber wird die ganze Zeit gestritten. Ich glaube, die Wahrheit liegt in der Mitte. Es wird sicher Menschen geben, die aus diesem Grund AfD wählen. Aber dieser Anteil ist verschwindend gering. Ich glaube, ein grosser Teil der Menschen wählt die AfD trotz dieses Denkens. Weil sie wollen, dass sich etwas ändert.

Als die Mauer fiel, erlebten viele Ostdeutsche einen Bruch in ihrer Biografie.

Hier kommt die ostdeutsche Mentalität ins Spiel. Als die Mauer fiel, erlebten viele Ostdeutsche einen Bruch in ihrer Biografie. Das Land, in dem sie aufgewachsen sind, war plötzlich weg und sie mussten sich neu orientieren. Die Ängste aus dieser Zeit werden durch die aktuelle, unsichere geopolitische Lage wieder verstärkt.

Mann spricht auf einer AfD-Veranstaltung in Brandenburg.
Legende: Björn Höcke ist das Aushängeschild der AfD in Thüringen – seine Partei wurde stärkste Kraft im Landtag. Keystone/Filip Singer

Wie erklären Sie dann den hohen Anteil junger AfD-Wähler, welche die DDR nicht erlebt haben?

Das ist richtig, diese Statistik ist erschreckend. Einerseits sind es sicher die Erzählungen der Eltern und Grosseltern, die das Gefühl von damals vermittelt haben. Zum anderen glaube ich, dass die Sozialen Medien eine grosse Rolle spielen. Die AfD hat als eine der ersten Parteien verstanden, dass man vor allem junge Wählerinnen und Wähler über diese Plattformen mobilisieren kann.

Wie würden Sie die spezifisch ostdeutsche Mentalität beschreiben?

Es gibt durchaus Unterschiede zwischen ost- und westdeutschen Mentalitäten. Ein Beispiel, das auch für mich als Journalist wichtig ist: Die Ostdeutschen, zumindest die älteren, mögen keine Paparazzi-Berichterstattung. Was durchaus Sinn ergibt.

Typisch ostdeutsch ist auch, dass man sich gegenseitig hilft. Solidarität wird hier grossgeschrieben.

Wenn man 40 Jahre lang in der Heimat von der Staatssicherheit bespitzelt wurde und die Privatsphäre keinen Wert hatte, dann reagiert man hochgradig allergisch, wenn die Privatsphäre in der neuen Umgebung wieder verletzt wird, selbst wenn es nur durch eine Zeitschrift geschieht. Das ist im Westen ganz anders. Typisch ostdeutsch ist auch, dass man sich gegenseitig hilft. Solidarität wird hier grossgeschrieben. Damals musste man sich helfen, weil es eine Mangelwirtschaft gab und so weiter. Aber insgesamt unterscheidet sich der Osten nicht so sehr vom Westen.

Sie sagen, der mediale Blick auf Ostdeutschland sei etwas verzerrt. Was müssten die Medien anders machen?

Sie sollten die Menschen in Ostdeutschland ernst nehmen. Sie sollten ihre Reporter auch mal nach Ostdeutschland schicken. Es gibt Zahlen, die besagen, dass jeder dritte Westdeutsche noch nie im Osten war, aber jeder Ostdeutsche schon einmal im Westen. Zudem wäre es wichtig, dass die Medien auch über die positiven Dinge berichten, die im Osten passieren, und nicht nur darüber, wo wieder eine AfD-Demo stattfand oder welches kleine 5000-Seelen-Dorf einen AfD-Bürgermeister gewählt hat. Es ist symbolisch, wenn Westdeutsche vom Schreibtisch aus in den Osten schauen und über die angeblich so bösen Menschen dort schreiben.

Das Gespräch führte David Karasek.

Tagesgespräch, 24.9.2024, 13:00 Uhr ; 

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