«El Chapo» ist Spanisch und meint so viel wie «Der Kurze». Das mag für die Körpergrösse von Joaquín Archivaldo Guzmán Loera zutreffen (1.65m), sicher nicht für die Beharrlichkeit, mit der sich der Mexikaner an der Weltspitze der Verbrecher behauptete. Der Pate des Sinaloa-Kartells ist 1957 in La Tuna geboren. Das Dorf im Distrikt Badiraguato im Bundesstaat Sinaloa lag 100 Kilometer von der nächsten Schule entfernt. Offiziell war Guzmáns Vater Viehzüchter. In Wahrheit arbeitete er wie viele auf den Schlafmohnfeldern.
Zum Verbrechen kam Guzmán daher ohne grosse Umwege. Bereits in den 70er-Jahren brillierte der Kurze an der Seite von Amado Fuentes (Gründer des Juárez-Kartells) und Miguel Gallardo (Mitbegründer des Guadalajara-Kartells) als Koordinator des kolumbianischen Kokain-Exportes. Anfang der 1980er Jahre etablierte er sich schliesslich als Logistikchef im Sinaloa-Kartell. Zehn Jahre und ein paar Morde später führt Guzmán das Kartell zusammen mit Ismael Zambada García, genannt «El Mayo».
Die beiden zeichneten die Karte des organisierten Verbrechens neu. 2010 nannten die USA Guzmáns Imperium die «mächtigste Organisation im Drogenhandel weltweit». Er soll in mehr als 35 Staaten aktiv gewesen sein und nebst Crystal Meth, Marihuana und Heroin gegen 450 Tonnen Kokain verkauft haben. El Chapo verfügte laut der US-Drogenbehörde DEA 2012 über ein Vermögen von etwa einer Milliarde Dollar. Um dieses Vermögen anzuhäufen und dabei selbst am Leben zu bleiben sollen 150 bis 200 Morde auf sein Konto gehen. Kein Wunder also, ist «El Chapo» auf der Liste der meistgesuchten Verbrecher nach dem Tod von Osama Bin Laden auf den 1. Platz gerückt.
Insgesamt fiel Guzmán seinen Häschern dreimal in die Hände. 1993 wurde er in Guatemala verhaftet und in Mexiko zu 20 Jahren Haft verurteilt. 2001 gelang ihm die Flucht aus dem Hochsicherheitsgefängnis Puente Grande in Jalisco. Nachdem viel Geld geflossen war, konnte «El Chapo» praktisch aus dem Gefängnis hinaus spazieren. Drei Jahre später fassten ihn Spezialeinheiten der mexikanischen Marineinfanterie und der DEA in der mexikanischen Küstenstadt Mazatlán. Ein gutes Jahr später entschwand der Kurze erneut. Er flüchtete aus dem mexikanischen Hochsicherheitsgefängnis Altiplano durch einen 1,5 Kilometer langen Tunnel, an dessen Bau auch deutsche Ingenieure beteiligt gewesen sein sollen. Nach seiner letzten Verhaftung im Januar 2016 in Los Mochis wurde Guzmáns grösster Alptraum wahr: er wurde 2017 offiziell an die USA ausgeliefert.
Seither sitzt «El Chapo» in einem Hochsicherheitsgefängnis im Süden von Manhattan ein. Im November begann am Bezirksgericht in Brooklyn der Prozess, der am 12. Februar mit einem Schuldspruch endete. Schuldig in allen Anklagepunkten, darunter Drogenhandel, Menschenhandel, Waffenmissbrauch zur Drogenkriminalität und Teilnahme an einer Verschwörung zur Geldwäsche. Ein Revisionsantrag von Guzmáns Anwälten wurde von den New Yorker Richtern abgewiesen.
Nicht die ganze Welt ist am Feiern. Vor allem in seiner Heimat Sinaloa wird «El Chapo» mitunter verehrt wie ein Popstar. Um sich der Loyalität der Heimat sicher zu sein, hat Guzmán viel Geld an die Armen und Kranken verschenkt. Er fehlt ihnen jetzt. Am Drogenhandel wird Guzmáns Verurteilung freilich nichts ändern. Wird einem Kartell der Kopf abgeschlagen, wächst einfach ein neuer nach. Im Fall von Sinaloa zieht weiterhin Ismael Zambada die Fäden.
Die grössten Gangsterbosse der Welt
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Bild 1 von 8. «Der Pate»: Vito Cascio Ferro gilt als mächtigster Mafia-Boss aller Zeiten. Er knüpfte Verbindungen zwischen der amerikanischen und sizilianischen Mafia. Seine 70. Verhaftung war schliesslich seine letzte. Zuvor kam er immer wieder auf verschiedenen Wegen frei. Er verstarb 1943 im Gefängnis. Bildquelle: PD.
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Bild 2 von 8. Alphonse Gabriel «Al» Capone: Er war einer der bekanntesten Verbrecher Amerikas in den 20er- und 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Capone kontrollierte als Chef des «Chicago Outfit» die Unterwelt und konzentrierte sich vor allem auf Geldwäsche, Glücksspiel und Prostitution. Er starb 1947. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 8. Pablo Escobar: Der Kolumbianer war einer mächtigsten und brutalsten Drogenhändler der Welt. Von den Armen wurde er als «Robin Hood» verehrt. Escobar stand an der Spitze des Medellín-Kartells, das in den 80er- und 90er-Jahren zu den grössten Kokain-Exporteuren zählte. Er starb 1993. Bildquelle: Reuters.
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Bild 4 von 8. John Gotti (rechts) galt als «Pate von New York». Er war berüchtigt für seine Brutalität. Jahrelang hatte die Polizei vergeblich versucht, Gotti Verbrechen nachzuweisen. Dies brachte ihm auch den Spitznamen «Teflon Don» ein. 1992 wurde er schliesslich doch noch zu lebenslanger Haft verurteilt. Er starb 2002 in einem zivilen Krankenhaus an Krebs. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 8. «El Chapo»: Joaquín Guzmán war lange Zeit der meistgesuchte Drogenboss der Welt. Er war der oberste Chef des Sinaloa Kartells, einem mexikanischen Drogenkartell. Nachdem «El Chapo» 13 Jahre lang auf der Flucht war, wurde er 2014 festgenommen. Nach einem Ausbruch durch einen unterirdischen Tunnel wurde er am 8. Januar 2016 erneut festgenommen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 8. Charles «Lucky» Luciano wurde 1897 als Salvatore Lucania auf Sizilien geboren. Karriere als Gangster machte er aber in den USA. In den 20er- und 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts galt er als einflussreichster Mafiaboss New Yorks. Er wurde 1936 zu einer Haftstrafe von dreissig bis fünfzig Jahren verurteilt, von denen er aber nur zehn absass. Bildquelle: Keystone.
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Bild 7 von 8. Lange Zeit war Bernardo Provenzano der Kopf der sizilianischen Mafia «Cosa Nostra». Ihm werden Dutzende Morde vorgeworfen. Nach über 40 Jahren auf der Flucht wurde der meistgesuchte Mann Italiens 2006 auf Sizilien verhaftet. Am 13. Juli 2016 ist er im Gefängnis verstorben. Bildquelle: Keystone.
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Bild 8 von 8. Pasquale Condello war der Boss der kalabrischen Mafia ’Ndrangeta. Nach mehr als zwanzig Jahren auf der Flucht wurde er 2008 in seinem Haus in Reggio Calabria verhaftet. Wegen des Mordes an einem früheren Chef der italienischen Eisenbahn war Condello bereits 1987 in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Bildquelle: Keystone.