Mit dem Terroranschlag der Hamas auf Israel geriet die relative Stabilität im Nahen Osten vor zehn Monaten aus dem Gleichgewicht – mit unmittelbaren Folgen für Maya Tissafi im Aussendepartement EDA. Sie ist für diese Region zuständig und leitet seither die Taskforce Naher Osten.
Diesen Sommer verlässt sie Bern und wechselt als Botschafterin nach Indien. Sie erinnert sich: Unmittelbar nach dem Terroranschlag Anfang Oktober im letzten Jahr stellten sich viele Fragen gleichzeitig: Wie steht es um die Sicherheit der Menschen und Mitarbeitenden vor Ort? Wie kommen die in Israel gestrandeten Reisenden aus der Schweiz zurück? Wie könnte sich der Konflikt entwickeln?
«Am schwierigsten war es, die vielen dringenden Arbeiten zu bewältigen», sagt Tissafi. Zwei Tage nach dem Ereignis war die Taskforce für all diese Fragen bereit, während Israel zum Gegenangriff überging. «Ich habe den Nahen Osten inklusive Ägypten, Jordanien, Israel, palästinensische Gebiete besucht. Einen starken Fokus haben wir im Laufe des Krieges auf die humanitäre Hilfe im Gazastreifen gelegt.» Die Schweiz habe dort relativ schnell reagiert und relativ viel Geld gesprochen, so die 59-jährige Diplomatin.
Innenpolitisch wurde ein Hamasverbot mehrheitsfähig, doch die Gelder blieben umstritten. Die Taskforce überprüfte Finanzflüsse und Hilfsorganisationen, Bundesrat und zuständige Parlamentskommissionen warteten mit den Geldern für das UNO-Hilfswerk für die Palästinensergebiete UNRWA. «Es ist klar, dass wir da nicht Augen und Ohren verschliessen konnten, sondern das sorgfältig prüfen mussten», sagt Tissafi.
Zweistaatenlösung – einzige Grundlage für Frieden
Inzwischen sind weite Teile des Gazastreifens zerstört. Die humanitäre Lage ist desolat. Israel steht in der Kritik und im Norden unter Beschuss der Hisbollah. Noch immer sind nicht alle Geiseln zurück und noch immer wird verhandelt.
«Es ist für uns sehr wichtig, dass die Verhandlungen zum Waffenstillstand nicht abbrechen, dass genau diese Ziele verfolgt werden. Parallel dazu muss an einer Nachkriegsordnung mit einer Übergangsverwaltung gearbeitet werden, die auch Sicherheitsgarantien nach innen und aussen für Israel beinhaltet.» Dafür brauche es auch eine Reform der palästinensischen Autonomie. Erst dann könne vielleicht der Weg für eine Zweistaatenlösung geebnet werden. «Das ist die einzige Grundlage, die es überhaupt gibt, für eine Befriedung dieser Region.»
Mit dem Gaza-Krieg schienen Annäherungen zwischen Israel und der arabischen Welt vom Tisch. In den Medien war von einer Kluft zwischen West und Ost die Rede. Botschafterin Maya Tissafi sieht das anders. «Diese Kluft war immer wieder ein Thema. Auf der anderen Seite muss ich aber auch ehrlich sagen, dass ich noch nie eine so enge Zusammenarbeit zwischen den arabischen und den westlichen Ländern erlebt habe.»
Sie haben damit ganz klar ausgedrückt, dass der einzige Feind, den sie haben, der Krieg ist.
Blickt die 59-Jährige auf die vergangenen fünf Jahre in Bern zurück, so war es eine bewegte Zeit. Was stimmt sie angesichts der vielen Krisen und Kriege nach all den Jahren zuversichtlich? Die Jugend, sagt die Botschafterin etwa, wenn sie wie jüngst in Israel auf die Strasse geht.
«Da waren Muslime, Christinnen, Jüdinnen dabei. Sie alle haben sich gemeinsam für einen Waffenstillstand und für den Frieden eingesetzt. Und sie haben damit ganz klar ausgedrückt, dass der einzige Feind, den sie haben, der Krieg ist.»