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Diplomatisch wichtige Reise Macrons Besuch in Marokko zeugt von einem Neustart

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron reist nach Marokko. Es ist sein erster Besuch nach sechs Jahren – und ein diplomatischer Neuanfang nach jahrelangen Konflikten.

Emmanuel Macron, seine Frau Brigitte und eine Delegation von über 100 Personen reisen nach Marokko. Die dreitägige Visite markiert einen Wendepunkt in den belasteten Beziehungen der beiden Länder.

Der Konflikt um die Westsahara war lange einer der Hauptgründe für die Spannungen. Doch kürzlich hat Frankreich seine Haltung in der Westsahara-Frage geändert und sich auf die Seite Marokkos gestellt. Dieser Kurswechsel dürfte massgeblich zum Zustandekommen des Besuchs beigetragen haben.

Worum geht es in der Westsahara-Frage?

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Wüstenposten mit Fahrzeugen und Fahne.
Legende: Die Beziehungen zwischen Frankreich und Marokko haben in den letzten Jahren gelitten, vor allem wegen des Westsahara-Konflikts. Reuters/Borja Suarez (05.12.2023)

Die Westsahara war bis 1975 eine spanische Kolonie. Nach dem Abzug Spaniens annektierte Marokko mehrere Gebiete des Territoriums. Rabat kontrolliert seitdem weite Teile des dünn besiedelten, aber rohstoffreichen Wüstengebiets. Die Westsahara gilt als letzter ungelöster Kolonialkonflikt in Afrika.

Das Volk in der Westsahara, die Sahrauis, beziehungsweise ihre politische und militärische Freiheitsbewegung «Frente Polisario», strebt seit Jahrzehnten nach einem unabhängigen Staat. Die Sahrauis werden in ihrem Kampf gegen Marokko von Algerien unterstützt. Ein Waffenstillstand 1991 sah ein Referendum vor, in dem die Sahrauis über die Zukunft der Westsahara abstimmen. Doch dieses Referendum fand bis heute nicht statt.

Marokko beansprucht das Westsahara-Gebiet für sich – eine Position, die Frankreich lange nicht unterstützte. Dass Frankreich nun Marokkos Linie folgt, sei aus Sicht des Königreichs ein bedeutsamer Schritt, erklärt SRF-Auslandredaktorin Veronika Meier: «Der völkerrechtliche Status der Westsahara ist zwar nach wie vor nicht geklärt. Aber Marokko beansprucht das Gebiet trotzdem für sich und richtet seine gesamte Aussenpolitik danach aus. So in der Art: Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns.»

Neben dem Versuch, die bilateralen Beziehungen zu verbessern, dürften für Paris und Rabat weitere Themen auf der Agenda stehen: darunter etwa die Migration sowie wirtschaftliche und sicherheitspolitische Kooperationen.

Französische Unternehmen interessieren sich für Investitionen in Marokko, beispielsweise im Energiesektor, beim Transport oder bei Infrastrukturprojekten. Die Rede ist auch davon, dass Marokko und Frankreich im Bereich der Verteidigung grosse Geschäfte abschliessen wollen. So ist Frankreich am Verkauf von Armeehelikoptern an Marokko interessiert.

Für beide Seiten sei ein gutes Verhältnis sinnvoll, sagt Redaktorin Meier: «Frankreich hat in den letzten Monaten und Jahren viel politischen Kredit und Einfluss auf dem afrikanischen Kontinent verloren. Es profitiert von guten Beziehungen zu Marokko, das in der Region einiges an Einfluss geniesst. Und die marokkanische Seite hat mit dem Umschwenken Frankreichs in der Westsahara-Frage schon sehr viel gewonnen und dürfte in Zukunft in der Hinsicht auch weitere Unterstützung aus Frankreich erwarten können.»

Algerien sieht die Wiederannäherung kritisch

Im Gegenzug dazu verstimmt die Annäherung zwischen Frankreich und Marokko Algerien, Marokkos Erzfeind. Algerien unterstützt die Sahrauis, die Bevölkerung der Westsahara, in ihrem Kampf um Selbstbestimmung.

Entsprechend empört reagierte die algerische Regierung bereits im Sommer auf Frankreichs Positionswechsel: Algerien rief daraufhin den französischen Botschafter zurück, und Präsident Abdelmadjid Tebboune sagte einen geplanten Besuch in Paris ab.

Die Entwicklungen in Rabat dürften in Algier deshalb mit Argwohn verfolgt werden.

SRF 4 News, 28.10.2024, 06:40 Uhr ; 

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