Spanien ist ein Flüssiggas-Schwergewicht. Das Land hat längst diversifiziert, kauft Gas ein in den USA, Algerien, Nigeria und Katar und besitzt landesweit Terminals und Speicher. Diese könnten ein Drittel des EU-Bedarfs abdecken.
Gerne hörte Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez beim Treffen mit Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz Ende August dessen Wunsch: «Spanien und Portugal werden Länder sein, die einen Überschuss produzieren können. Es wäre für diese Länder wichtig, aber auch für uns alle, dass diese Produktionskapazitäten tatsächlich auch genutzt werden können.»
Kurz: Deutschland sähe auf der Suche nach Energie auch die iberische Halbinsel als Teil der Lösung, wäre gerne Abnehmer. Spanien und Portugal würden gerne liefern. Das Problem: Die beiden bestehenden Pipelines zwischen Spanien und Frankreich genügen nicht für die benötigten Kapazitäten.
Überwachsene Pipeline soll Gas liefern
Also erinnerte man sich in Madrid an eine dritte, halbfertige Pipeline. Der Bau quer durch Katalonien – Projektname «Midcat» – wurde vor neun Jahren gestoppt. Mangels Geld, Willen und aufgrund ökologischer Bedenken sowohl in Frankreich als auch in Spanien. Im kleinen Ort namens Hostalric enden die inzwischen überwachsenen Rohre.
In wenigen Monaten aber, sagte Spaniens Umweltministerin Teresa Ribera, könne man die Pipeline fertigstellen und Gas liefern. Man sei bereit, sagte auch Joan Batalla, Präsident von Spaniens Gasbranchenverband: «Es geht darum, kurzfristig zur Versorgungssicherheit beizutragen und in Zukunft eine Infrastruktur zu haben, die Biogas und grünen Wasserstoff für ganz Europa kanalisieren kann.»
Ringen um Energiegeschäft
Mit Blick auf Klimakrise und Energiewende soll durch die Midcat-Pipeline nur so lange wie nötig Gas fliessen, danach soll sie für grünen Wasserstoff genutzt werden, so die Vorstellung auf spanischer Seite. Kostenpunkt: 300 Millionen Euro. Für Spanien ist klar: Frankreich, Spanien und die EU teilen sich die Kosten.
In Brüssel sieht man es ähnlich, die Midcat-Pipeline wurde wiederaufgenommen ins «RePower-EU»-Programm, eine Teilfinanzierung in Aussicht gestellt. In Frankreich allerdings hat man es weniger eilig. Präsident Emmanuel Macron hält Midcat für zu teuer und unökologisch, wie er Anfang September sagte. Der Verdacht in Spanien: Frankreich – jahrelang erfolgreicher AKW-Stromverkäufer – spielt auf Zeit, will die iberische Halbinsel ausbremsen, das Energiegeschäft selbst übernehmen statt Transitland sein.
Brüssel hält eine Einigung zwischen Spanien und Frankreich für zwingend. Nun erhöhen Spanien und Portugal via Unterhändler zwar den Druck, schauen sich gleichzeitig aber nach Alternativen um.
Eine davon: eine Pipeline von Barcelona in die italienische Hafenstadt Livorno. Kostenpunkt: knapp drei Milliarden Euro. Über das Stadium einer Absichtserklärung zu einer Machbarkeitsstudie ist man aber noch nicht hinausgekommen. Klar ist: Es dürfte noch dauern, bis Spanien Gas geben kann.