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Droht die Lage im Nahen Osten zu eskalieren?
Aus Rendez-vous vom 29.07.2024. Bild: Keystone/Leo Correa
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Drohende Eskalation in Nahost In Libanon ist die Angst zur Normalität geworden

In Nahost droht eine weitere Eskalation. Für die Menschen in Südlibanon ist der Ausnahme- zum Dauerzustand geworden.

Drohende Eskalation: Die Angst vor einem grossen Krieg im Nahen Osten wächst. Im Brennpunkt stehen dabei Libanon und die radikal-islamische Hisbollah. Die von Iran gestützte Miliz und Israel liefern sich seit Beginn des Gaza-Kriegs Kämpfe im Grenzgebiet der beiden Länder. Nach dem Raketenangriff auf ein Dorf in den von Israel kontrollierten Golanhöhen dreht sich die Eskalationsspirale weiter.

Opfer wird zu Grabe getragen.
Legende: Israel macht die Schiitenmiliz Hisbollah für den Angriff vom Samstag in der drusischen Ortschaft Madschdal Schams verantwortlich, bei dem mindestens zwölf Kinder und Jugendliche ums Leben gekommen waren. Keystone/AP/LEO CORREA

Das Warten auf Vergeltung: Israels Regierung bereitet sich auf einen Vergeltungsschlag gegen die Hisbollah vor. Das Sicherheitskabinett hat Regierungschef Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Joav Galant ermächtigt, «über die Art und Weise und den Zeitpunkt des Vorgehens gegen die Terrororganisation Hisbollah zu entscheiden.» Washington bemüht sich, hinter den Kulissen für eine Beruhigung zu sorgen. Der Balanceakt ist nun, den Vergeltungsschlag unter der Schwelle eines echten, grossen Kriegs zu belassen.

Zerstörung nach israelischem Luftangriff in Südlibanon (15. Juli 2024)
Legende: Fast täglich kommt es seit Beginn des Gaza-Kriegs im Oktober 2023 zu gegenseitigen Angriffen zwischen der Hisbollah und der israelischen Armee. Bild: Zerstörung nach einem israelischen Luftangriff in Südlibanon (15. Juli 2024) Keystone/EPA/Stringer

Die neue Normalität: Im Grenzgebiet sind Zivilistinnen und Zivilisten den Kämpfen bereits ausgesetzt. Im schlimmsten Fall müssen sich noch weit mehr Menschen in Südlibanon darauf einstellen, dass ihre Dörfer und Städte zum Kriegsschauplatz werden könnten. Dies sei jedoch seit Beginn des Gaza-Kriegs eine «sehr reelle Gefahr», berichtet SRF-Korrespondent Thomas Gutersohn. Noch im Oktober 2023 sei es zu Panikkäufen gekommen, und wer konnte, habe das Land verlassen. «Mittlerweile hat sich das aber normalisiert. Man kann nicht monatelang in ständiger Angst vor einem Krieg leben. Irgendwann wird auch diese Angst zur Normalität.»

Letzter Krieg liegt 18 Jahre zurück

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Legende: Israelische Soldaten marschieren 2006 im Libanon ein. Keystone/AP/ODED BALILTY

Seit Beginn des Gaza-Kriegs kommt es in der israelisch-libanesischen Grenzregion immer wieder zu Konfrontationen zwischen Israels Armee und militanten Gruppierungen wie der Hisbollah. Bei den Angriffen in beiden Ländern wurden auch Zivilisten getötet. Zehntausende Anwohner verliessen auf beiden Seiten der Grenze ihre Heimatorte. Es sind die schwersten Kämpfe seit dem zweiten Libanon-Krieg 2006.

Damals lieferten sich Israel und die Hisbollah-Miliz einen einmonatigen Krieg. Israel reagierte auf die Entführung von zwei israelischen Soldaten durch die Hisbollah mit einem militärischen Grossangriff: Jerusalem wertete die Verschleppung als «Kriegsakt des Staates Libanon», Luftangriffe zerstörten unter anderem grosse Teile Beiruts. Der Krieg endete mit einem Waffenstillstand, vermittelt von den Vereinten Nationen – ohne klaren Sieger.

Gutersohn war erst kürzlich auf Reportagereise im Süden Libanons, nur etwa 20 Kilometer von der Grenze zu Israel entfernt, die zur Kampflinie geworden ist. «Dort gingen die Menschen am Strand baden und haben die Sonne genossen – obwohl die Bomben und Raketen der israelischen Armee gut hör- und sichtbar waren.»

Hoffen auf Entspannung: Es gibt derzeit Anzeichen, dass weder Israel noch die Hisbollah daran interessiert sind, ihre seit fast zehn Monaten andauernden Gefechte in einen veritablen Krieg zu verwandeln. «Im Libanon geht man sehr stark davon aus, dass Israel weiterhin gezielte Angriffe gegen Hisbollah-Kämpfer und ihre Einrichtungen fliegen wird», schätzt Gutersohn. Für Israel würde eine weitere Eskalation einen Zwei-Fronten-Krieg bedeuten: im Norden mit der Hisbollah und im Süden mit der Hamas im Gazastreifen.

Libanon und Israel befinden sich eigentlich andauernd im Kriegszustand, einmal akuter und einmal weniger.
Autor: Thomas Gutersohn SRF-Korrespondent in Amman

Hisbollah als Schutzmacht: Mit ihren Angriffen auf Israel gefährdet die Hisbollah indirekt die Zivilbevölkerung in Südlibanon. Die Menschen können jederzeit zwischen die Fronten geraten, wenn Israel die Schiitenmiliz ins Visier nimmt. Seit Beginn des Gaza-Kriegs kamen rund 100 Libanesinnen und Libanesen bei den israelischen Angriffen ums Leben. «Trotzdem wird sie nach wie vor als einzige Schutzmacht gesehen», sagt Gutersohn. Zumal die libanesische Armee quasi inexistent sei.

Hisbollah-Kämpfer an einer Parade zum Al-Quds-Tag.
Legende: «Libanon und Israel befinden sich eigentlich andauernd im Kriegszustand, einmal akuter und einmal weniger», sagt Gutersohn. «Aber auch daran haben sich die Menschen langsam gewöhnt.» Keystone/AP/HUSSEIN MALLA

Für die Hisbollah ist der Kampf gegen Israel die eigene Legimitation. Der Sinn ihrer Provokationen werde aber durchaus hinterfragt, schliesst Gutersohn. Denn für viele Menschen in Libanon sei der Krieg in Gaza nicht «ihr» Krieg. «Die Hisbollah muss es tunlichst vermeiden, diesen Konflikt vollends eskalieren zu lassen. Denn damit droht sie den Rückhalt in der Bevölkerung zu verlieren.»

Krieg im Nahen Osten

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Die Konflikte in Israel, im Westjordanland und im Gazastreifen halten an. Hier finden Sie alle unsere Inhalte zum Krieg im Nahen Osten.

Rendez-vous, 29.7.2024, 12:30 Uhr ; 

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