Seit August 2018 sind im Zuge des zweitgrössten Ebola-Ausbruchs in der Geschichte im Osten Kongo-Kinshasas bislang mehr als 1300 Menschen gestorben. Die in Kongo lebende Journalistin Judith Raupp weiss, wo die Probleme liegen.
SRF News: Wie stark prägt Ebola den Alltag in Kongo-Kinshasa?
Judith Raupp: Das kommt sehr darauf an, ob man direkt im betroffenen Gebiet lebt oder etwas weiter entfernt. Bei uns in Goma geht jeder seinem gewohnten Alltag nach. Wenn man jedoch über die Grenze nach Ruanda will, wird die Körpertemperatur gemessen und man muss sich die Hände mit Chlorwasser waschen. Die Kübel mit dem Desinfektionsmittel stehen hier auch vor den Einkaufszentren oder Bars.
Im Ebola-Ausbruchsgebiet sind die Menschen mit noch mehr Gewalt konfrontiert, als ohnehin schon.
Überall hängen Plakate, dass man die Hygiene-Vorschriften einhalten solle. Manche Leute geben sich zur Begrüssung auch nicht mehr die Hand. Anders ist es im Ausbruchsgebiet von Beni und Butembo. Dort sind die Hygiene-Bemühungen noch präsenter. Ausserdem sind die Menschen dort wegen Angriffen von Rebellen auf Gesundheitszentren mit noch mehr Gewalt konfrontiert als ohnehin schon.
Warum gelingt es trotz der internationalen Unterstützung nicht, die Neuansteckungen mit Ebola ganz zu verhindern?
Die Bevölkerung hat kein Vertrauen – weder in die Regierung, noch in die Gesundheitshelfer. Entsprechend befolgen viele die Anweisungen nicht. Ein Viertel der Bevölkerung im betroffenen Gebiet glaubt, dass Ebola in Wirklichkeit gar nicht existiert und bloss eine Erfindung von profitgierigen Leuten sei.
Woher kommt dieses Misstrauen?
Seit etwa fünf Jahren marodiert in der betroffenen Gegend eine brutale Miliz. Sie überfällt Dörfer, vergewaltigt die Frauen, Kinder werden entführt und zu Kindersoldaten gemacht. Mehr als 1000 Menschen starben im Zuge des Konflikts, schätzungsweise 180'000 Menschen sind auf der Flucht. Das alles passiert in einem Gebiet, in dem die grösste Blauhelm-Mission der Welt stationiert ist.
Die Menschen glauben gar nicht, dass man die Hilfe ernst meint.
Die Menschen sind ob der Gewalt traumatisiert und von den versagenden Autoritäten enttäuscht. Mit Ebola kommt nun eine Armee von Helfern in das Gebiet. Die Menschen glauben gar nicht, dass man das jetzt ernst meint. Gnadenlose Geschäftemacher verdienen sich mit den Fremden eine goldene Nase, die einheimische Bevölkerung bleibt auf der Strecke. Hinzu kommt das verordnete Wahlverbot für Beni und Butembo, das vordergründig wegen des Ebola-Ausbruchs verhängt wurde – in Wahrheit aber damit zu tun hat, dass die beiden Orte eine Hochburg der Opposition sind.
Haben die Helfer und Hilfsorganisationen auch Fehler gemacht, welche die Bevölkerung weiter verunsicherte?
Ja. Die ersten Helfer vor Ort sprachen Lingala, eine Sprache, die im entfernten Kinshasa gesprochen wird, nicht aber im Osten von Kongo. Dort wird Suaheli oder sogar bloss eine lokale Sprache gesprochen. Deshalb war die Kommunikation von Anfang an schwierig. Zudem haben die Helfer völlig unterschätzt, was es bedeutet, wenn eine solche Krankheit in einer Region ausbricht, in der die Menschen sowieso schon traumatisiert und masslos enttäuscht sind. Auch wurden die lokalen Machtstrukturen ignoriert, was dazu führte, dass die Bekämpfung von Ebola oftmals ins Leere stiess.
Sind die Lehren daraus gezogen worden?
Es scheint so. So hat der neue Nothilfekoordinator der UNO, David Gressly, angekündigt, vermehrt auf die lokalen Strukturen aufbauen zu wollen. Wenn er das tatsächlich macht, ist er auf dem guten Weg.
Das Gespräch führte Simone Hulliger.