Pita Limjaroenrat und seine Move-Forward-Partei haben die thailändischen Wahlen letztes Jahr gewonnen. Das konservative Establishment hat sie nicht regieren lassen. Nun entscheidet das Verfassungsgericht darüber, ob die Partei aufgelöst und er aus der Politik verbannt werden soll. Wie er dazu steht, erklärt er im Interview.
SRF News: Pita Limjaroenrat, Sie könnten aus der Politik verbannt werden?
Pita Limjaroenrat: Ja, und zwar lebenslang.
Das Gericht könnte auch Ihre Partei auflösen?
Zum zweiten Mal in fünf Jahren!
Sind Sie enttäuscht?
Ich bin zutiefst enttäuscht. Nicht nur, weil ich nicht Premierminister geworden bin, sondern weil es ein Verrat am Potenzial dieses Landes ist. Das könnten wir mit einer bürgernahen Regierung realisieren, die auf die Menschen hört. Aber ich kann warten. Meine Zeit – unsere Zeit – wird kommen. Auch wenn es nochmals zehn Jahre sind. Das ist nicht weiter schlimm.
Sie können unser Haus zerstören, aber nicht unseren Geist.
Was macht die Move-Forward-Partei, wenn sie vom Verfassungsgericht tatsächlich aufgelöst werden sollte?
Wir packen einfach und zügeln in ein neues Haus. Das wäre nicht das erste Mal, dass wir eine neue Partei gründen. Wir wissen bereits, wie das geht: Für uns ist das «easy-peasy». Sie können unser Haus zerstören, aber nicht unseren Geist. Kurzfristig wird man uns so los, aber langfristig kommen wir stärker zurück, und unser neues Haus mit neuem Namen wird noch grösser sein.
Haben Sie das erwartet, als Sie letztes Jahr zur Wahl angetreten sind?
Das sind institutionalisierte Vorgänge im Land. Es ist keine persönliche Attacke gegen mich. Das ist ein Teil des Spiels. Du gewinnst die Wahlen, dann zerstören sie deine Partei, du gewinnst nochmals, sie zerstören dich wieder. Dieses Spiel versuche ich zu stoppen. Thailand ist doch keine TV-Serie wie «House of Cards»! Es geht um echte Leben.
Thailand steht seit 20 Jahren still, dabei wollen die Leute dringend einen Wandel. Sie beginnen zu verstehen, was es heisst, starke Institutionen zu haben, statt Politiker, die eine Partei wie Superhelden führen und so tun, als könnten sie alle Probleme lösen. Wir wollen eine Partei für die Menschen, die Thailand reformiert und für eine konstitutionelle Monarchie steht.
Das Verfassungsgericht berät, ob Sie mit Ihrem Versprechen, den Gesetzesartikel zum Majestätsbeleidigungsgesetz zu ändern, den «Sturz der Monarchie» herbeiführen wollten. Wollen Sie den Artikel 112 immer noch ändern?
Wir wollen das Gesetz ändern, damit es nicht als Waffe gegen politische Gegner eingesetzt wird. Es gibt Vor- und Nachteile, wenn man den Staatschef so strikt schützt. Thailand soll aber eine konstitutionelle Monarchie bleiben. Mit unserer Änderung wollen wir sicherstellen, dass der König über der Politik steht. Wir dachten, wir könnten das im Parlament diskutieren, aber das wird jetzt als Aufstand gesehen, als Verrat. Das ist eine Enttäuschung. Wo sollen wir das sonst diskutieren? Auf der Strasse? In den sozialen Medien? Wir dachten, das Parlament sei eine gemeinsame Plattform.
Seit 20 Jahren dasselbe Lied: Eine Partei gewinnt an der Urne, wird dann aber später von den Gerichten aufgelöst. Woher nehmen Sie die Zuversicht, das zu ändern?
Ich bin nicht zuversichtlich. Dem Teufelskreis zu entkommen, ist sehr schwierig. Es braucht Biss und Nerven aus Stahl. Wie europäische Länder haben wir eine Anti-Korruptions-Kommission, eine Wahlkommission und ein Verfassungsgericht. Das sieht auf dem Papier korrekt aus, aber in der Realität nutzen die politischen Machthaber sie zu ihrem eigenen Vorteil. Sie brauchen diese Institutionen, um den Wandel zu verhindern. Ich habe Vertrauen, weiterhin Wahlen zu gewinnen und auch die Herzen und den Verstand der Menschen. Das braucht Zeit.
Ich bin eine Brücke, keine Bombe! Eine Ressource und kein Rebell!
Wird sich Thailand jemals ändern?
Wenn man im System drinsteckt, dann verliert man manchmal die Hoffnung und denkt, dass sich nichts ändern könne. Aber wir führen zum Beispiel bald die gleichgeschlechtliche Ehe ein. Es geht auch darum, die Themen zu dominieren. Viele moderne Ideen tragen die jüngeren Generationen bereits in sich. Gesetze können wieder geändert werden, aber die Ideen bleiben. Ich glaube, dass Thailand in Bezug auf das Denken nie mehr dasselbe Land sein wird. Ich sehe mich als Brückenbauer zwischen diesen neuen Ideen und den alten Institutionen. Ich bin eine Brücke, keine Bombe! Eine Ressource und kein Rebell! Ich bin gar nicht so radikal, wie viele denken.
Das Gespräch führten Lukas Messmer und Martin Aldrovandi.