Die Fahrt durch eine wilde Berglandschaft von Malatya nach Adiyaman. Es wäre eine idyllische Fahrt, wären da nicht die weissen Familienzelte. In fast jedem Weiler entlang der Strasse wurden ein paar aufgeschlagen. Es sind provisorische Bleiben für die Bauernfamilien.
In Adiyaman lebten vor dem Beben eine halbe Million Menschen. Nun ist es eine Geisterstadt. Von den acht- bis zehnstöckigen Wohnblocks entlang der Einfahrtsstrasse haben praktisch alle tiefe Risse. Niemand würde es wagen, hier noch zu wohnen.
Im Zentrum der Stadt wechseln sich Schutthaufen und abbruchreife Häuser. Hier war einmal ein modernes Stadthaus mit geräumigen Wohnungen. Nun hängen die Fassadenteile herab.
Die ersten Tage nach dem Beben waren in Adiyaman extrem hart, sagt Mahmut, der nicht mehr in seiner Wohnung leben kann und mit seiner Frau bei Verwandten in Ankara eine erste Bleibe fand. Mit blossen Händen hätten die Einheimischen anfangs nach Verschütteten gesucht.
Erst nach und nach eilten aus den Nachbarstädten Freiwillige heran. Ein Rettungsteam aus Algerien war in Adiyaman die erste organisierte Bergungsgruppe von ausserhalb.
Die staatliche Hilfe liess auf sich warten. Mit schnellerer Unterstützung hätten viele Verschüttete gerettet werden können, davon ist Mahmut überzeugt. Er ist nicht allein.
An den Trümmerhaufen im Zentrum machen sich die Bagger zu schaffen, Lastwagen fahren den Schutt weg. Die wenigsten Gebäude waren so erdbebensicher gebaut, dass sie die gewaltigen Erdstösse schadlos aushalten konnten. Es werden allein in dieser Stadt noch Hunderte, wenn nicht Tausende Häuser abgerissen werden müssen.
Viele sehen ein staatliches Versagen
Inzwischen sind die Behörden daran, eine provisorische Infrastruktur aufzubauen. Aufgerissene Strassen werden ausgebessert, mobile Telefonantennen eingerichtet. Da und dort stehen Toilettenanlagen. Am zentralen Verkehrskreisel können die Geschädigten staatliche Soforthilfe beziehen.
Die Unterstützung kommt aber noch immer zu langsam, sagt Aysel Özkan. Sie leitet ein Helferteam aus Izmir. Das Team gibt jeden Tag 8000 warme Mahlzeiten aus und stellt Hygieneartikel bereit. Eine kleine Containerstadt mit Sozialdiensten sei ausserdem in Planung.
Die staatlich kontrollierte Katastrophenhilfe aber beansprucht die Hauptrolle für sich. Auch sie betreibt Zeltstädte, plant stabilere und komfortablere Container-Unterkünfte. Für Aysel Özkan ist allerdings klar: Es brauche noch mehr Container, mehr Hilfsangebote, damit die Menschen, die nicht wegkönnen oder wegwollen, zu etwas Normalität zurückkehren könnten.
Eine Stadt auf Jahre zerstört
Wie es unter diesen Umständen weitergehen soll? Das wisse er nicht, meint Mehmet, der für Bergungsarbeiten einen Kran organisiert hat. Die Miete für den Kran habe allein so viel gekostet wie die Starthilfe, welche der Staat bis jetzt gesprochen hat.
Er fühle sich wie ein Fisch, der an Land geworfen wurde, sagt Mehmet. Seine Stadt sei kaputt, und bis sie wieder zu sich komme, würden noch Jahre vergehen.