Worum geht es? Im EU- und Nato-Land Finnland sind offizielle Verhandlungen über die künftige Regierungszusammenarbeit eingeläutet worden. Delegationen der konservativen Nationalen Sammlungspartei, der rechtspopulistischen Partei «Die Finnen», der Schwedischen Volkspartei sowie der Christdemokraten trafen sich in Helsinki. Sie wollen zunächst ausloten, wo sie bei den wichtigsten Themen stehen.
Wie realistisch ist eine Mitte-Rechts-Regierung? Der Konservative Petteri Orpo will mit diesen Parteien ein Mitte-Rechts-Bündnis schmieden, das die bisherige Mitte-Links-Koalition der Sozialdemokratin Sanna Marin ablösen soll. «Auf dem Papier ist eine solche Koalition durchaus möglich», meint SRF-Nordeuropamitarbeiter Peter Kaufmann. «Alle vier Parteien im Gespräch haben mit 109 von 200 Sitzen eine klare Mehrheit.» Trotz allem sei es ein breites politisches Spektrum mit verschiedenen Prioritäten. Deshalb stehe Orpo vor einer schwierigen Aufgabe, so Kaufmann.
Welche Themen sorgen für Zündstoff? Zu den grossen Fragen zählten die Wirtschaft, das Klima und die Einwanderung, sagte der Konservative Petteri Orpo nach Angaben des Rundfunksenders Yle. Laut Kaufmann gibt es vor allem in drei Punkten unterschiedliche Meinungen:
Migrationspolitik
«Einerseits sind die Meinungen bei der Migrationsfrage gespalten. Finnland hatte über einen langen Zeitraum eine restriktive Einwanderungspolitik, nun geht dem Land das Personal aus, auch die demografischen Zahlen sind negativ», so der Nordeuropa-Kenner. Deshalb möchten vor allem die Konservativen diese Praxis liberalisieren, mehr Menschen ins Land lassen. «Das wollen umgekehrt die ‹Die Finnen› überhaupt nicht.»
Sprache
Zum Zweiten ist man sich bei der Sprachenfrage nicht einig. Finnland ist ein zweisprachiges Land, Schwedisch und Finnisch werden gleichberechtigt gesprochen und angewendet. «‹Die Finnen› wollen hier eine Änderung und ein einsprachiges Finnland», so Kaufmann.
Finanzen
Zum Dritten gibt es Konflikte bei den Staatsfinanzen. «Finnland ist hoch verschuldet, und hier soll die neue Regierung ein Sparprogramm durchsetzen.» Die verschiedenen Parteien hätten unterschiedliche Prioritäten, wo sie den Sparhebel ansetzen möchten.
Wie kompromissbereit sind die «Die Finnen» bei der Migrations- oder Sprachenfrage? «Mit diesen Anliegen haben sie jede fünfte Stimme bekommen», erklärt Kaufmann. Deshalb müsse die Partei einige Sachen schlucken, um hier mitmachen zu können. «Die anderen Parteien sind nicht bereit, beispielsweise die Zweisprachigkeit oder die Migrationsfrage einfach aufzugeben.»
Gibt es einen Zeitplan für die Koalitionsverhandlungen? Petteri Orpo habe stets gesagt, dass er diesen ganzen Verhandlungsprozess bis zum Mitsommertag Ende Juni abschliessen möchte und die neue Regierung stehen soll, so Kaufmann.
Wäre auch eine Koalition der Konservativen mit den Sozialdemokraten denkbar? «Ja, das ist der Plan B, und die Sozialdemokraten von Sanna Marin haben bereits mitgeteilt, dass sie wiederum für eine Regierung zur Verfügung stehen würden», so Kaufmann. Die meisten Parteien in Finnland seien bereit, in eine Regierung zu gehen, wenn der Mix stimme.