Es tönt wie ein Durchbruch: Israel und die Hamas haben sich auf Feuerpausen und auf Geisel- und Gefangenenaustausch geeinigt. Gemäss dem Kompromiss zwischen den Kriegsparteien bietet die radikal-islamische Hamas die Freilassung von 50 Geiseln an und will dafür vier Tage Waffenruhe im Gazastreifen. Auslandredaktorin Susanne Brunner klärt die wichtigsten Fragen.
Ist die Feuerpause primär für die Zivilbevölkerung gedacht?
Nein. Die Sorge um die Zivilbevölkerung steht bei der politischen Führung beider Kriegsparteien nicht im Vordergrund. Auf israelischer Seite hatte Premier Benjamin Netanjahu zunächst jeglichen Kompromiss – und damit eine Feuerpause – noch abgelehnt. Eingelenkt hat er, weil der öffentliche Druck in Israel enorm ist, die rund 240 Geiseln nach Hause zu bringen, welche aus Israel in den Gazastreifen verschleppt wurden.
Die Hamas will unbedingt eine Feuerpause, weil sie eine Unterbrechung der israelischen Dauerangriffe aus der Luft und am Boden braucht. Natürlich gab es auf beiden Seiten auch Druck, einer Verschnaufpause für die Zivilbevölkerung zuzustimmen. Denn die humanitäre Lage im Gazastreifen ist katastrophal.
Was bietet Israel im Austausch für 50 Geiseln an?
In erster Linie eine Feuerpause. Diese ist Israels grösstes Zugeständnis. Denn wenn die Hamas und andere militante Gruppen im Gazastreifen die Pause nutzen, um sich neu zu formieren, riskiert Israel mehr eigene tote Soldatinnen und Soldaten. Die Abwägung ist also: keine Feuerpause und dafür mehr tote Geiseln oder eine Feuerpause, welche der Hamas dienen und mehr israelischen Soldaten das Leben kosten könnte.
Das zweite Zugeständnis ist die Freilassung von rund 150 palästinensischen Gefangenen in israelischen Haftanstalten. Darunter sind laut israelischen Angaben 123 Jugendliche unter 18 Jahren, fünf davon sogar unter 14 Jahren. Verhaftet wurden diese, weil sie mutmasslich Feuer legten oder Molotow-Cocktails und Ähnliches warfen. Israels drittes Zugeständnis ist die Erlaubnis, dass pro Tag bis zu 300 Lastwagen mit dringend benötigten Hilfsgütern in den Gazastreifen gelangen.
Welche Hürden stehen einer Feuerpause noch im Weg?
Katar muss den Kompromiss noch definitiv bekannt geben. Dann besteht in Israel eine Rekursmöglichkeit: Dort haben Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, ans Oberste Gericht zu gelangen, wenn sie zum Beispiel finden, der Kompromiss gefährde die Sicherheit des Landes oder widerspreche den Kriegszielen. Das Oberste Gericht wird eine solche Bürger-Petition höchstwahrscheinlich ablehnen. Dann muss der Zeitpunkt festgesetzt werden, wann die Waffenruhe in Kraft tritt. Von einer gescheiterten Geiselübergabe bis zu einer Partei, die sich nicht an die Waffenruhe hält, kann aber auch dann noch vieles schiefgehen.
Ist ein baldiges Ende des Krieges realistisch?
Es ist sehr unwahrscheinlich, dass eine Terrororganisation kapitulieren wird. Und auch wenn die Hamas das tun sollte: Terror hört nicht mit einer Gruppe auf, Terror ist eine Idee, eine Ideologie. Zudem würde Israel eine Kapitulation gar nicht ernst nehmen. Es würde trotzdem sicherstellen, dass die gesamte Infrastruktur der Hamas zerstört würde. Der Krieg wird also noch eine Weile dauern.