Bizarre Bergformationen, atemberaubende Wüstenlandschaften und Safaris, auf denen man die «Big Five» der afrikanischen Tierwelt bestaunen kann: Namibia erfreut sich immer grösserer Beliebtheit als Reiseziel. Weniger bekannt ist, dass das Land im Südwesten Afrikas derzeit die schlimmste Dürre seit Jahrzehnten erlebt.
Schlachtung Hunderter Wildtiere
Nun hat die Regierung in Windhoek beschlossen, mehr als 700 Wildtiere zum Abschuss freizugeben. Das Fleisch der Elefanten, Flusspferde, Zebras und Antilopen wird an Bedürftige verteilt. Für die Tötung der Tiere hat die Regierung professionelle Jäger angeheuert.
Die Schlachtung der Ikonen der afrikanischen Savanne mag manche Menschen verstören. SRF-Korrespondentin Sarah Fluck verweist aber darauf, wie angespannt die humanitäre Lage im Land ist: «Die Hälfte der Bevölkerung leidet unter der Dürre, und die Nahrungsmittelvorräte sind praktisch vollständig erschöpft.»
Wie viele andere südafrikanische Staaten kämpft Namibia seit Monaten mit einer schweren Dürre. Die Situation dürfte sich weiter zuspitzen. Die durch das Wetterphänomen El Niño bedingte Dürreperiode ist erst der Anfang. Jetzt beginnt die alljährliche Trockenzeit.
Wenn wir nicht eingreifen, sind Konflikte zwischen Menschen und Wildtieren unausweichlich.
Die Abschüsse sollen laut dem Sprecher des Umweltministeriums auch dabei helfen, den Mangel an Wasser und Weideflächen in den Griff zu bekommen. In einigen Nationalparks leben laut der Regierung mehr Tiere, als dort Nahrung finden können. Viele von ihnen würden ohnehin sterben.
Gerade Elefanten seien akut bedroht. Denn sie benötigen enorme Mengen an Wasser und Nahrung. «Wenn wir nicht eingreifen, sind auch Konflikte zwischen Menschen und Wildtieren unausweichlich», so der Sprecher des Umweltministeriums.
Mit der Massnahme könne die Regierung die Wasser- und Weideressourcen zwar etwas entlasten, schätzt Korrespondentin Fluck. «Kritikerinnen und Kritiker betonen aber zu Recht, dass dies ein sehr kurzfristiger Blick auf die Situation ist.»
Politisches Kalkül vor den Wahlen?
Tierschutzorganisationen erinnern daran, dass die benachbarten Länder Botswana und Simbabwe in den 1980er- und 90er-Jahren zu ähnlichen Massnahmen gegriffen haben. Die damaligen Tötungen von Wildtieren hätten zu einem Rückgang der Biodiversität geführt, der bis heute spürbar sei. Namibia drohe nun das gleiche Schicksal.
Die Regierung in Windhoek sieht sich auch Kritik ausgesetzt, dass politisches Kalkül bei den Abschüssen mitschwingen soll: Denn Ende November wird in Namibia gewählt. Das Timing der Massnahme sei tatsächlich verdächtig, schätzt Fluck. «Auch wird das Fleisch vor allem in den ländlichen Regionen Kavango und Caprivi verteilt. Gerade dort hat die regierende Partei zuletzt stark an Unterstützung verloren.»
Auch die namibische Tierschutzorganisation «Elefant Human Relations Aid», die sich für ein friedliches Zusammenleben von Menschen und Tieren einsetzt, kritisiert die Regierung. So gebe es auch andere Möglichkeiten, um Gemeinden in Zeiten extremer Trockenheit zu helfen. Allerdings: Es fehlt an umfassenden Daten und Umweltberichten, um eine langfristige Strategie zur Bewältigung der wiederkehrenden Dürren zu entwickeln. Auch hier muss sich die Regierung Versäumnisse vorwerfen lassen.
Nachhaltige Lösungen brauchen aber vor allem eines: Zeit. Und diese habe Namibia angesichts der dramatischen Lage nicht, schliesst Fluck. «Es braucht jetzt schnelle Lösungen, um noch Schlimmeres zu verhindern.»