Vor vier Tagen bebte in Indonesien die Erde. Es entstand ein Tsunami. Erdbeben und Flutwelle zerstörten auf der Insel Sulawesi grossflächig die Infrastruktur. Zwischenzeitlich bebte die Erde erneut. Journalist Holger Senzel berichtet über die Situation.
SRF News: Wie ist die Situation auf Sulawesi?
Holger Senzel: Ich bin auf Makassar, das ist eine der Halbinseln. Ich versuche seit drei Tagen nach Palu zu kommen. Das ist etwas schwierig. Gestern wurde beispielsweise ein Flug abgesagt, weil die Fluggesellschaft Angst hatte, dass die Maschine, sobald sie landet, von Hunderten verzweifelter Menschen gestürmt wird. Das war bei jeder Maschine, die gelandet ist, der Fall. Die Leute haben das Rollfeld überrannt, weil sie unbedingt von Sulawesi weg wollen.
Nach letzten Berechnungen wird für 190'000 Menschen dort Hilfe gebraucht, davon sind fast 50'000 Kinder.
Insofern ist es momentan schwierig, ins Krisengebiet selbst zu kommen. Auch der Landweg ist schwierig, es gibt kein Benzin und die Situation ist auch nicht ungefährlich. Es gibt eine Menge Banden. Sie überfallen Fahrzeuge mit Hilfsgütern und auch andere Autos, wegen der Powerbanks für die Handys. Es ist eine disparate Situation momentan in Palu.
Was brauchen die Überlebenden momentan am dringendsten?
Sie brauchen eigentlich alles. Die Armee hat gestern damit beginnen können, wieder in grösserem Masse Hilfsgüter einzufliegen, nachdem der Flughafen von Palu repariert worden ist. Aber es fehlt immer noch an Trinkwasser, Lebensmitteln und Medikamenten und die Folgen davon sind überall in der Stadt zu spüren. Ich habe mit Leuten gesprochen, die sagten, sie gingen nachts nicht mehr auf die Strasse, weil Menschen überfallen werden. Es gibt keine Beleuchtung, keinen Strom.
Was heisst das für die internationale Hilfe?
Das macht es nicht einfacher. Die Strassen sind zum Teil zerstört. Die Fahrzeuge nehmen Umwege. Die indonesische Marine bringt schweres Gerät auf dem Seeweg. Nach letzten Berechnungen wird in diesem Katastrophengebiet für 190’000 Menschen Hilfe gebraucht. Davon fast 50'000 Kinder.
Der Präsident Indonesiens Joko Widodo hat den Notstand ausgerufen und offiziell internationale Hilfe angefordert. Die Lage der Menschen ist verzweifelt. Sie wollen raus aus der Stadt, aber sie wissen nicht wie. Auf dem Luftweg geht es nicht, auf dem Landweg auch nicht. Es gibt kein Benzin für die Autos und die Menschen haben Angst, dass sie überfallen werden, wenn sie mit ihren Autos rausfahren.
Haben Sie den Eindruck, dass seitens der Behörden alles Nötige getan wird, um den Menschen zu helfen?
Es wird eine Menge getan. Es sind Tausende von Soldaten rund um die Uhr im Einsatz. Wenn man sagt «Die Hilfe läuft schleppend an und sie funktioniert nicht», liegt das nicht an Unfähigkeit oder mangelnden Anstrengungen, sondern daran, dass angesichts dieser enormen Zerstörungskraft der Natur alle menschlichen Anstrengungen eher bescheiden wirken.
Mit jeder Stunde sinkt die Hoffnung für die noch eingeschlossenen Menschen.
Es ist quasi nichts übrig von dieser Stadt. Es ist so, als hätte eine riesige Faust eine ganze Stadt zu einer Mixtur aus Steinen, Schlamm, Holz und Blech zusammengerührt. Ich weiss nicht, wie viel tausend Kubikmeter Schutt erst einmal weg müssen. Das ist eine eine Herkulesaufgabe und auch schwer für die Leute, die dort noch Angehörige unter den Trümmern haben.
Heute Morgen hat man zwei Überlebende aus in einem eingestürzten Hotel befreit, und es sind noch weitere Überlebende da, aber die Zeit drängt. Mit jeder Stunde sinkt die Hoffnung für die noch eingeschlossenen Menschen.