Die Nationalsozialisten haben im Konzentrationslager Auschwitz über eine Million Menschen ermordet. Am Montag wurde in Auschwitz-Birkenau der Befreiung des Lagers durch sowjetische Truppen vor 75 Jahren gedacht. Für die Schweiz nahm Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga an den Gedenkfeierlichkeiten teil.
SRF: Frau Sommaruga, wie fühlen Sie sich an diesem Ort?
Simonetta Sommaruga: Ich bin erschüttert und entsetzt ob dem kleinen Einblick in dieses Grauen. Gleichzeitig bin ich felsenfest überzeugt, dass wir uns erinnern müssen und nicht wegschauen dürfen. Deshalb bin ich heute auch mit Geschichtsstudenten hierhergekommen. Ich möchte mit ihnen zusammen in die Vergangenheit schauen – die Vernichtung von Menschen, das Entsetzen.
Wir sind auch heute nicht gefeit vor Antisemitismus, vor Hetze, vor Hass.
Gleichzeitig möchte ich mit ihnen in die Zukunft schauen, damit so etwas nie wieder passiert. Wir sind auch heute nicht gefeit vor Antisemitismus, vor Hetze, vor Hass. Und deshalb wollen wir gemeinsam dagegen ankämpfen.
Was passiert mit der Erinnerung, wenn es bald keine Zeitzeugen mehr gibt?
Wir brauchen die Zeitzeugen, die heute noch da sind. Wir müssen mit ihnen sprechen. Ich habe sie eingeladen, ich möchte den Kontakt mit ihnen pflegen. Aber wir wissen, diese Zeit geht vorbei und deshalb ist es wichtig, auch solche Gedenkstätten hier zu haben, wo man hinkommen und hinschauen kann – und von diesem Grauen erfasst wird, was hier geschehen ist, nämlich die absichtliche Vernichtung von Menschen.
Das Wichtigste ist, dass man weiss und zur Kenntnis nimmt, was passiert ist.
Es heisst, man könne die damalige Zeit nicht mit dem vergleichen, was wir heute haben. Was können wir trotzdem heute von dem lernen, was damals passiert ist?
Das Wichtigste ist, nicht zu vergessen. Das Wichtigste ist, dass man weiss und zur Kenntnis nimmt, was passiert ist. Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass wir nie gefeit sind davor, dass auch so etwas wieder passieren kann, weil es ja eben schon einmal geschehen ist. Deshalb ist das auch ein Aufruf und eine Verpflichtung für uns alle, gegen all das heute anzukämpfen.
Das Gespräch führte Bettina Ramseier.