Hunderte arbeitsuchende Inder warten – warm eingepackt gegen die Kälte – vor dem Rekrutierungszentrum in der nordindischen Stadt Rohtak. Sie alle hoffen auf einen Arbeitsplatz als Bau- oder Feldarbeiter in Israel. «Wir sind arbeitslos und in Indien finden wir keine Arbeit», klagt Vikas Kumar, ein junger Mann mit Schnauz, im Fernsehsender Al Jazeera.
Ein anderer Bewerber sagt dem indischen Fernsehsender India Today: «Es gibt hier schon einige Angebote, aber die Bezahlung ist viel schlechter als in Israel.»
Viele Inderinnen und Inder wären froh, überhaupt eine Stelle zu finden. Denn obwohl Indiens Wirtschaft stark wächst, ist die Arbeitslosigkeit hoch. Bei den unter 25-Jährigen sind mehr als 40 Prozent ohne Arbeit. Daneben gibt es Hunderte Millionen – auch gut ausgebildete – Menschen in Indien, die in prekären Verhältnissen für sehr wenig Geld arbeiten. Auf dem Feld der Familie, als Gemüseverkäuferinnen in der Stadt oder als Taxifahrer, um irgendwie über die Runden zu kommen.
In Indien gibt es viel zu viele Arbeitskräfte für zu wenig reguläre Arbeitsplätze, sagt Arbeitsmarktökonom Amit Basole aus Bangalore. Dadurch hätten Arbeitgeber in Indien sehr viel Macht – und könnten es sich leisten, sehr niedrige Löhne zu zahlen.
Kritik der Gewerkschaften
Viele Arbeiterinnen und Arbeiter hätten keine andere Option, als diese schlecht bezahlte Arbeit zu akzeptieren, sagt Basole. Für diese Leute sei die Migration nach Israel eine interessante Option. Wer genug Geld für ein Flugticket habe und bereit sei, das Risiko auf sich zu nehmen, könne in Israel deutlich mehr verdienen als in Indien.
Die indischen Gewerkschaften allerdings halten gar nichts von der Arbeitsmigration Richtung Israel. «Es ist irrational und ungerecht, palästinensische Arbeiter durch indische zu ersetzen», sagt Tapan Kumar Sen, Chef der indischen Dachgewerkschaft Centre of Indian Trade Unions. Israel habe palästinensische Arbeiter entlassen und verübe einen Genozid an den Palästinensern, so Tapan Kumar Sen. Indien dürfe diese Politik nicht unterstützen.
Der indische Gewerkschaftsboss hat noch ein weiteres Problem mit der Entsendung von Indern: «Israel ist eine Konfliktregion. Indische Arbeitskräfte werden dort als Kanonenfutter missbraucht. Und die indische Regierung tut nichts, um sie zu schützen.» Darum hätten die Gewerkschaften den Premierminister schon im November in einem offenen Brief aufgefordert, die Entsendepläne zu stoppen. Die Regierung habe bis heute nicht geantwortet, sagt Sen.
Es ist besser, in Israel bei der Arbeit zu sterben, als in Indien an Hunger, weil es hier keine Arbeit gibt.
Ein Regierungssprecher äusserte sich bei einer Fragerunde zu der geplanten Entsendung. Demnach hat Indien schon vor dem Krieg ein Migrationsabkommen mit Israel abgeschlossen. Denn schon jetzt arbeiteten rund 13’000 Inderinnen und Inder in Israel, vor allem im Pflegebereich. Mit dem Abkommen wolle die Regierung sicherstellen, dass die Rechte der Menschen, die nach Israel gingen, geschützt würden, sagte der Sprecher.
Für viele indische Arbeitssuchende scheint die Sicherheit allerdings zweitrangig zu sein: «Ich bin mir des Risikos in Israel bewusst», so Rohtash Kumar, ein arbeitsloser junger Historiker aus Haryana, gegenüber der Zeitung Times of India. «Aber es ist besser, in Israel bei der Arbeit zu sterben, als in Indien an Hunger, weil es hier keine Arbeit gibt.»