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EU-Innenminister-Treffen Verteilung der Migranten weitgehend chancenlos

Wenn sich die Innenminister der EU-Staaten treffen, um die Verteilung von Migranten zu beschliessen, beschliessen sie wenig bis gar nichts. Das ist eine der Faustregeln in der europäischen Asylpolitik, sie bewahrheitete sich heute wieder einmal in Luxemburg.

Auf dem Verhandlungstisch des EU-Innenminister-Treffens lag der sogenannte Malta-Plan. Die vier EU-Staaten Deutschland, Frankreich, Italien und Malta hatten sich am 23. September in der maltesischen Hauptstadt Valletta auf einen neuen Umverteilungsmechanismus geeinigt. Er soll den Bootsmigranten zugutekommen, die im Mittelmeer gerettet und in einen italienischen oder maltesischen Hafen gebracht wurden. Sie sollen künftig auf die vier Länder verteilt werden.

Weniger strenge Kriterien

Bislang gescheitert ist jedoch das Vorhaben, den Mechanismus auf die übrigen EU-Staaten und weitere Länder wie die Schweiz auszuweiten. Nur wenige EU-Staaten haben heute Bereitschaft signalisiert, den Plan zu unterstützen. Vorbehaltlose Zustimmung kam einzig von Portugal und Luxemburg. Bei den meisten dominiert Skepsis bis offene Ablehnung.

Auch Bundesrätin Karin Keller-Sutter, welche für die Schweiz am Treffen teilnahm, stellte der Vier-Länder-Initiative ein schlechtes Zeugnis aus: «Was hier vorgesehen ist, ist nicht wirklich überzeugend, weil auch Personen verteilt werden, die keine Asylgründe haben.»

2015 hatten die EU-Staaten zum ersten und bislang einzigen Mal eine Umverteilung von bis zu 160‘000 Flüchtlingen beschlossen. Es ging um Menschen, die gute Chancen auf Asyl hatten, insbesondere Syrer und Iraker. Nun sollen weniger strikte Kriterien angewandt werden.

Plan mit bescheidenen Zielen

Insgesamt zeichnet sich der Malta-Plan aber durch bescheidene Ziele aus: Er ist vorerst auf sechs Monate beschränkt, die Teilnahme ist freiwillig. Und vor allem: Nur ein winziger Bruchteil der Migranten kann davon profitieren – eben jene, die von Rettungsschiffen oder der Küstenwache nach Italien oder Malta gebracht wurden. 2019 waren dies nur einige hundert Menschen. Die allermeisten Migranten kommen anderswie und anderswo nach Europa. Insgesamt waren es seit Jahresbeginn rund 80‘000.

Für den deutschen Innenminister Horst Seehofer ist der Malta-Plan denn auch bloss ein erster kleiner Schritt auf dem Weg hin zur grossen Reform des europäischen Asylwesens mit umfassender Flüchtlings-Verteilung. Und er ist ein politisches Geschenk an die neue Mitte-links-Regierung von Giuseppe Conte in Italien. Conte soll einen Erfolg vorweisen können im Wettstreit mit seinem Widersacher Matteo Salvini.

Migrantenzahlen nehmen zu

Der Malta-Plan fällt in eine Zeit, in der die Migrantenzahlen erstmal seit 2016 wieder deutlich zunehmen. Betroffen sind derzeit insbesondere Spanien und Griechenland. Ein Einmarsch der Türkei in Syrien könnte die Lage im Südosten der EU weiter verschärfen. Umso grösser ist die Furcht, ein Umverteilungsmechanismus würde für Migranten zusätzliche Anreize schaffen, den beschwerlichen Weg nach Europa anzutreten.

Es könnte sich also eine weitere Faustregel der EU-Asylpolitik bewahrheiten: Je mehr Menschen kommen, desto weniger sind die Staaten bereit, ihre Grenzen zu öffnen.

Sebastian Ramspeck

Internationaler Korrespondent

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Sebastian Ramspeck ist internationaler Korrespondent für SRF. Zuvor war er Korrespondent in Brüssel und arbeitete als Wirtschaftsreporter für das Nachrichtenmagazin «10vor10». Ramspeck studierte Internationale Beziehungen am Graduate Institute in Genf.

Hier finden Sie weitere Artikel von Sebastian Ramspeck und Informationen zu seiner Person.

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