Die Jugendorganisation von Melonis Partei heisst «Gioventù Nazionale»: Nationale Jugend. In dieser Jugendorganisation sollen jene Leute heranwachsen, die später einmal Verantwortung übernehmen – so die Idee.
Doch da wächst offenbar noch anderes heran: An einem Anlass der Nationalen Jugend sind «Sieg Heil»-Rufe und faschistische Lieder zu hören. Auf einem wackeligen Handy-Video, aufgenommen unter Mitgliedern oder Sympathisanten der Nationalen Jugend.
Das Video stammt von der Internetzeitung Fanpage, die schon verschiedentlich aufwändige Recherchen publiziert hat. Das Medium arbeitet mit versteckter Kamera, also ohne Genehmigung der Betroffenen.
Und Fanpage hat dabei ziemlich viel belastendes oder gar verstörendes Material gesammelt: In den publizierten Gesprächsfetzen wird der Duce, also Mussolini, angerufen. Es wird gehetzt gegen Menschen aus Afrika, gegen Juden oder Behinderte. Fanpage ist aber auch im Besitz von SMS, die sich Mitglieder der Nationalen Jugend geschickt haben. Auch diese Texte ergeben dasselbe Bild.
Das lange Schweigen der Giorgia Meloni
Schon vor einer Woche hatte das Online-Medium erstmals solche Videos oder Chats publiziert, in denen Jüdinnen und Juden, Behinderte oder Leute aus Afrika diffamiert werden. Zu diesen Enthüllungen schwieg Giorgia Meloni beharrlich. Erst in der Nacht auf heute nahm sie Stellung: Wer rassistische, antisemitische oder nostalgische Gefühle hege, sei in ihrer Partei am falschen Ort.
Dennoch fragen sich viele, ob Meloni davon wusste. Vor einigen Monaten noch hatte sie ihre Jugendorganisation Gioventù Nazionale in den höchsten Tönen gelobt. Sie seien «wunderbar», rief sie im Januar ihren Jungen zu. Zwei dieser «wunderbaren Jungen» sind gestern, nach neuen Enthüllungen von Fanpage, von ihren Ämtern zurückgetreten.
Die linke Opposition aber will mehr. Einzelne fordern, Melonis Jugendorganisation ganz aufzulösen. Oder Meloni solle sich nun öffentlich als Antifaschistin bezeichnen, was sie bisher stets unterliess. Viele sagen, die Regierungschefin wolle jene Leute nicht verprellen, die Mussolini gut finden.
Ein gefährliches Doppelspiel
Doch dies könne gefährlich werden, analysierte der Journalist Beppe Severgnini gestern auf dem TV-Kanal «La7»: Dass sich Meloni weigere, sich als Antifaschistin zu bezeichnen, werde einige Tausend Ewiggestrige befriedigen. Aber sie drohe damit Millionen von Wählerinnen und Wählern zu verlieren.
In Italien nennt man das «doppio forno»: Jemand heizt zwei Öfen ein. Auf Deutsch würde man sagen, Meloni laviere. Zuletzt in Brüssel zwischen Ursula von der Leyen und Ungarns Premier Orban. Also zwischen der christdemokratischen Rechten und Rechtsaussen. Viele Fragen bleiben offen.
Unterdessen aber geht Meloni zum Gegenangriff über und kritisiert Fanpage: Sich in Parteien einzuschleichen, sei ein Skandal und komme nur in Diktaturen vor. Tatsächlich ist die Methode fragwürdig. Doch die Gioventù Nazionale ist eine Organisation der italienischen Regierungspartei, die auch Steuergeld erhält. Was dort geschieht, ist von öffentlichem Interesse und relevant.