«Hallo, hier ist Nawalny.» Dieses Video ist eine Sensation. Alexej Nawalny hatte es gedreht, als er sich in Deutschland vom Giftanschlag des vergangenen Sommers erholte: Mutmasslich Agenten des russischen Geheimdienstes wollten ihn mit einem chemischen Kampfstoff umbringen – Nawalny überlebte knapp.
Prunkbau in Milliardenhöhe
Als das Video fertig war, kehrte Nawalny nach Russland zurück und wurde gleich ins Gefängnis gesteckt. Das war am vergangenen Sonntag. Nun haben die Mitstreiter des Oppositionspolitikers das Video veröffentlicht:
«Wir haben extra mit der Veröffentlichung gewartet, bis ich wieder in der Heimat bin. Und zwar, damit der Held unseres Films nicht denkt, wir hätten Angst vor ihm», sagt Nawalny.
Der «Held» im Film ist der russische Präsident. Nawalny behauptet in seinem Dok-Film «Ein Palast für Putin», der Staatschef habe sich am Schwarzen Meer eine Residenz für umgerechnet 1.2 Milliarden Franken bauen lassen.
Der Oppositionelle präsentiert Dokumente, Fotos und sogar den Bauplan. Das Anwesen liegt auf einem malerischen Kap unweit der Stadt Gelendschik – und es ist so opulent, dass die russischen Zaren vor Neid erblassen würden.
Nawalny präsentiert dem Publikum unter anderem eine 3-D-Animation des Palast-Innern. Auf über 17’000 Quadratmetern gebe es da ein eigenes Theater, ein eigenes Casino, ein Hallenbad sowieso. Das Interieur: imperial, viel Gold, viel Stuckatur. Nawalny führt auch durch ein Computer-animiertes angebliches Schlafzimmer Putins – und verspottet den Staatschef als «verrückten Imperator».
Für den Kreml kompletter Unsinn
Bezahlt haben soll Putin den ganzen Prunk mit Schmiergeldern, die über komplexe Firmenkonstrukte in den Bau geflossen sind. So sagt es Alexej Nawalny.
Der Kreml dementiert die Vorwürfe. Das Ganze sei kompletter Unsinn, sagte der Sprecher von Präsident Putin.
Eingeschlagen hat der Film trotzdem wie eine Bombe. Über 25 Millionen Mal wurde er allein auf der Plattform Youtube bisher angeklickt: Ein Mann sitzt im Gefängnis – und erhebt solche Vorwürfe gegen den mächtigsten Mann im Staat. Solche Geschichten imponieren den Russen. Heldenhaft, waghalsig, verrückt. Schwer zu sagen, welches Adjektiv am besten dazu passt.
Aufruf zur Demonstration
Fest steht: Der Film ist eine Kriegserklärung an den Kreml. Im Vorspann wird denn auch ein Aufruf veröffentlicht: Die Russinnen und Russen sollen am kommenden Samstag auf die Strasse gehen – um zu demonstrieren.
«Ein Palast für Putin» soll den Volkszorn anfachen, die Entschlossenheit, den Mut. Es ist eine Strategie der maximalen Konfrontation. Die Frage ist, wer am längeren Hebel sitzt – der Gefangene oder der Präsident.
Soviel lässt sich sagen: Bei vielen Russinnen und Russen dürfte sich die Lust auf einen politischen Kampf in Grenzen halten. In der Gegend, wo der Palast steht, reden die Leute schon länger ganz offen davon, dass sich Putin ein Luxusanwesen hingestellt habe. Sie murren ein bisschen, aber sonst: Schulterzucken. Jeder hat seine Datscha. Die von Putin ist halt ein bisschen grösser.