Tausende Flüchtlinge aus Afghanistan warten an der Grenze zwischen Belarus und Polen auf Hilfe. Vordergründig gibt es aus der EU zwar Unterstützung für Polen. Denn auch die EU hat ein Interesse daran, die Aussengrenzen gegen illegale Einwanderung zu schützen. Aber nicht jedes der 27 Mitgliedsländer versteht das gleiche unter Grenzschutz.
Und das sei eigentlich das Problem, sagt SRF-EU-Korrespondent Charles Liebherr. «Pushbacks zum Beispiel sind illegal. Sie finden aber statt.» Dies, weil Länder, die einen harten Kurs in der Migrationspolitik verfolgen, dies als nationale Kompetenz verstehen. «Und diese Länder wollen sich von der EU auch nicht herumkommandieren lassen.»
Ob solche Pushbacks auch von Polen praktiziert werden, sei unklar, so Liebherr. «Denn es gibt niemanden, der das unabhängig beobachten kann.» Die EU würde gerne die gemeinsame Grenzschutzagentur Frontex dorthin schicken. «So hätte man zumindest zusätzliche Informationen – auch wenn die Agentur selbst immer wieder wegen ihres Umgangs mit Migrantinnen und Migranten am Pranger steht.»
Polen verweigere jedoch eine Entsendung der Frontex und stelle lieber eigene Beamten an die Grenze. «Darum weiss man nicht genau, was dort passiert, und man kann Polen schlecht sanktionieren», sagt Liebherr.
Erinnerung an letzte Flüchtlingskrise
Die Uneinigkeit unter den Mitgliedsländern im Umgang mit Migrantinnen und Migranten ist ein wunder Punkt der EU – das weiss auch der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko. «Die EU ist erpressbar. Jedes Land wäre auf diesem Weg erpressbar», erklärt der EU-Korrespondent. In der EU sei der Migrationsdruck jedoch besonders hoch. «Immer noch wollen viele Menschen nach Europa kommen.»
Die EU ist erpressbar. Jedes Land wäre auf diesem Weg erpressbar.
Das erinnere an das Jahr 2015 und die Folgejahre und an das Flüchtlingsabkommen der EU mit der Türkei. «Es reicht, dass die Türkei droht, ein Flüchtlingsabkommen, das die Türkei mit der EU abgeschlossen hat, zu lockern.» Schon steige der politische Druck auf die EU. «Dann werden die Zahlungen erhöht und neue, verlängerte Abkommen mit der Türkei geschlossen. Und Belarus? Das Regime von Lukaschenko nutzt das natürlich aus. Das ist offensichtlich.»
Aufseiten der EU habe aber auch eine Gegenbewegung eingesetzt. Der Kurs der EU in Sachen Migrationspolitik habe sich verhärtet, sei restriktiver geworden und setze mehr auf Abwehr. «Länder errichten Zäune, Pushbacks sind Realitäten. Diese Realitäten werden kaum sanktioniert.» Der politische Diskurs sei ebenfalls radikaler geworden.
Sanktionen nur kurzfristige Lösung
«Das ist eine sehr heikle Entwicklung in der EU», befürchtet Liebherr. «Mit jeder neuen Krise dreht sich diese Spirale mehr und mehr in Richtung restriktive Einwanderungspolitik, aber immer ohne eine langfristige Lösung.» Kurzfristig gehe es der EU schlicht darum, zu verhindern, dass sich das Szenario von 2015 wiederhole. «Nämlich, dass eine unkontrollierte Einwanderung in die EU stattfindet und dann die Tatsachen bereits geschaffen sind und man nicht mehr zurückkann.»
Die EU werde weiter auf einen harten Grenzschutz setzen und gleichzeitig versuchen zu verhindern, dass der Migrationsdruck grösser wird. Möglich wäre, Airlines zu sanktionieren, die Migrantinnen und Migranten nach Belarus fliegen, oder in Afghanistans Nachbarländern Geld zu investieren, damit vertriebene Menschen dort untergebracht werden können. «Das ist das Einzige, was man derzeit machen kann.»
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