Als erster EU-Staat hat Italien Anfang März Schulen und Universitäten wegen des Coronavirus geschlossen. Erst nach den Sommerferien, ab September also, sollen sie wieder aufgehen. Kein anderes EU-Land hält seine Schulen länger geschlossen.
Simona De Stasio lehrt Psychologie der Entwicklung und Erziehung an der Universität in Rom. Sie sagt, die Folgen dieser langen Zwangspause für Italiens Kinder seien gravierend: «Ausserfamiliäre Kontakte italienischer Kinder wurden unterbrochen.»
Familien und Jugendliche, die schon vor dem Virus verletzlich waren, wurden durch die Pandemie noch verletzlicher.
Schulen und Universitäten mussten zwar Fernunterricht anbieten. Das hätten viele Lehrerinnen und Lehrer auch umgesetzt. Doch davon habe lediglich ein Teil der Kinder und Jugendlichen profitiert.
«Familien und Jugendliche, die schon vor dem Virus verletzlich waren, wurden durch die Pandemie noch verletzlicher», sagt De Stasio. Das heisst: Kinder, die schon vor Corona in der Schule Mühe hatten, drohen nun, völlig abgehängt zu werden.
Der Staat könne das verhindern, indem er entschieden Gegensteuer gebe. Dafür sei es nötig, die Schulen im September wirklich wieder zu öffnen und Schülerinnen und Schüler, die Probleme haben, ganz gezielt zu fördern. Ob das tatsächlich geschieht, muss sich zeigen. Italiens Regierung hat den Schulen dafür Milliarden Euro zur Verfügung gestellt.
Die Schule ist das eine. Das andere grosse Problem ist der Einstieg der Jugendlichen in den Arbeitsmarkt. Luca De Zolt ist für Italiens grösste Gewerkschaft CGIL tätig. Er kennt die Lage vor allem in jenem Sektor, in dem viele ihre erste Stelle suchen: im Tourismus.
In Restaurants, Hotels oder Touristenläden, wo es viele Schulabgänger zuerst einmal probieren, gibt es wegen der Pandemie nur noch ganz wenige Stellen.
«Hunderttausende junge Erwachsene werden grosse Mühe haben, im Tourismus eine Stelle zu ergattern. Denn in Restaurants, Hotels oder Touristenläden, wo es viele Schulabgänger zuerst einmal probieren, gibt es wegen der Pandemie nur noch ganz wenige Stellen», sagt der Gewerkschafter.
Aber auch diejenigen, die bereits eine Arbeit haben, im Tourismus oder anderswo, drohten diese nun zu verlieren. Viele junge Arbeitnehmer hätten prekäre Verträge, ohne Kündigungsschutz, sagt de Zolt. Wenn Personal abgebaut werden müsse, seien sie oft die ersten, die man entlasse.
Finanziell unabhängig mit 40
Dabei war die Lage vieler junger Italienerinnen und Italiener schon vor der Pandemie prekär. Gewerkschafter De Zolt fasst dies in einer einzigen, beeindruckenden Zahl zusammen: Im Durchschnitt werden junge Italiener erst mit 40 Jahren finanziell von ihren Eltern unabhängig.
Nun könnte es noch länger dauern, bis die Jungen sich finanziell abnabeln können, befürchtet De Zolt. Erste Statistiken belegen das. Unter den Italienerinnen und Italienern bis 25 hat die Arbeitslosigkeit in den letzten Monaten am stärksten zugenommen.