Schon bei der Autobahn-Ausfahrt riechen wir den Rauch. Wir sind in Minneapolis angekommen. Seit der Afroamerikaner George Floyd nach einer brutalen Festnahme starb, kommt die Stadt nicht mehr zur Ruhe. Mitten auf der Strasse stehen vor uns plötzlich zwei ausgebrannte Autos. Stille Zeugen einer Nacht voller Randale und Brandanschläge.
Daneben ein zerstörtes Ladengebäude – noch immer tritt Rauch aus den Ruinen. Die Feuerwehr versucht, letzte Brandherde zu löschen. Eines der Feuerwehrfahrzeuge fährt mit Blaulicht davon – es gibt noch Dutzende weitere Gebäude, bei denen ein Einsatz nötig ist. Ein schwarzer Jugendlicher fährt mit dem Velo an uns vorbei. Aus seiner «Boom Box» dröhnt ein aggressiver Song: «Fuck the Police»!
Viele Schaufenster sind mit dem Schriftzug «Black Owned» (im Besitz von Schwarzen) versehen. So sollen randalierende und plündernde Chaoten davon abgehalten werden, Geschäfte von Schwarzen anzugreifen. Das versucht auch Ausar Lovestar, der mit grimmiger Miene vor seinem Laden steht. Er mache sich etwas Sorgen um sein Business, sagt er mir: «Wenn ihr euch für die Sache der Schwarzen stark machen wollt, dann nehmt meinen Laden nicht auseinander, er gehört einem Schwarzen.»
Ein alter Bekannter von mir, der in der Stadt lebt, meldet sich. Seine junge Familie hatte panische Angst, die ganze Nacht kein Auge zugetan. Die Polizei hatte keine Kontrolle mehr über die Stadt, trotz Unterstützung der Nationalgarde. Bei allem Verständnis für die Proteste fordern viele Bewohner, dass die Gesetzeshüter strenger durchgreifen und die Strassen wieder in den Griff bekommen.
Uns fallen die vielen privaten Putz-Crews auf. Es sind Freiwillige. Über soziale Medien wird dazu aufgerufen, die Stadt sauberzumachen. Hilfsorganisationen koordinieren die Einsätze, sodass nicht alle am gleichen Ort putzen. In Krisen zeigt sich stets auch eine schöne Seite der amerikanischen Gesellschaft: Hilfsbereitschaft, Zusammenhalt, der Wille zur guten Tat.
Wir fahren zu jener Stelle, wo sich die Tat zugetragen hatte. An der Strassenecke haben sich mehrere hundert Demonstranten versammelt. «Murder» schreien sie gemeinsam und strecken die geballte Faust in die Höhe. Manche legen derweil Blumen, Kerzen oder Schrifttafeln auf das Trottoir. Viele Anwesende tragen Masken – Minneapolis hat die Corona-Pandemie noch nicht überwunden. Die Stadt muss zwei Krisen auf einmal meistern.
Am Radio sagen Experten und Politiker das, was sie immer sagen: Das Land braucht eine grundsätzliche Diskussion über Rassismus, Benachteiligung und Polizeigewalt. Tatsächlich wurden in den letzten Jahren Konzepte für eine bessere Polizei ausgearbeitet. Den Tod von George Floyd konnten sie nicht verhindern.