Am Schluss hatte selbst der australische Premierminister Anthony Albanese genug: «Wir wollen, dass er nach Australien zurückgebracht wird», so der Regierungschef. «Durch seine fortgesetzte Inhaftierung ist nichts zu gewinnen.» Und: «Wir haben uns für die Interessen Australiens eingesetzt und alle geeigneten Kanäle genutzt, um ein positives Ergebnis zu erzielen.»
«Es ist mal Zeit geworden»
Albaneses Reaktion spiegelt die Meinung eines grossen Teils der australischen Bevölkerung wider. In Internetforen und in den sozialen Medien herrschte teilweise sogar Jubelstimmung. «Es ist mal Zeit geworden», schrieb eine Kommentatorin auf Facebook. Die bekannte Journalismus-Dozentin Wendy Bacon schrieb, sie habe geweint, als sie von der bevorstehenden Freilassung gehört habe. Obwohl viele Australier mit den Methoden von Wikileaks, vertrauliche oder geheime Dokumente zu veröffentlichen, nicht einverstanden waren, setzte sich in den vergangenen Jahren die Meinung durch, der Australier habe dafür genügend gebüsst.
Ohne Zweifel ist die bevorstehende Freilassung von Assange ein Sieg für die «stille Diplomatie» der Albanese-Regierung. Seit ihrem Machtantritt vor zwei Jahren hatten sich der Premier sowie seine Aussenministerin Penny Wong hinter den Kulissen in den Vereinigten Staaten für eine Lösung eingesetzt.
Albanese hatte mehrmals persönlich an den amerikanischen Präsidenten Joe Biden appelliert, dem jahrelangen Drama ein Ende zu setzen. Schliesslich reiste eine parteiübergreifende Gruppe australischer Parlamentarier und Parlamentarierinnen nach Washington, um mit Vertretern der Politik und des Justizsystems die Freilassung Assanges zu verhandeln.
Assange war am Montagnachmittag in London in ein Privatflugzeug gestiegen. Am Dienstagmorgen Ortszeit landete er in der thailändischen Hauptstadt Bangkok. In seiner Begleitung befindet sich der australische Hochkommissar in Grossbritannien, Stephen Smith. Der Diplomat sowie der australische Botschafter in Washington, Kevin Rudd, böten Assange auf seinem Weg zurück in die Heimat konsularischen Schutz, so Albanese.
Peter Greste: «Ganz eigene Art von Folter»
Der australische Journalist Peter Greste, der 2014 bis 2015 in Ägypten unter dem falschen Vorwurf des Terrorismus inhaftiert war, sah sich an sein eigenes Schicksal erinnert. Er schreibt: «Täuschen Sie sich nicht: Assange wurde vielleicht nicht verprügelt oder ihm wurden die Fingernägel ausgerissen, aber eine lange Haft mit einer ungewissen Zukunft ist eine ganz eigene Art von quälender Folter. Die Haft im Gefängnis Belmarsh kam, nachdem Assange bereits fast sieben Jahre lang Asyl in der ecuadorianischen Botschaft in London gesucht hatte.»
Für Greste, heute Professor für Journalismus, hat der Fall Assange «unbestreitbar eine ernsthaft abschreckende Wirkung auf den Journalismus im öffentlichen Interesse und sendet eine erschreckende Botschaft an Quellen, die auf Beweisen für Missbräuche durch die Regierung und ihre Agenturen sitzen». Es sei zwar unmöglich, die Zahl der nicht erzählten Geschichten zu beziffern, «aber es ist schwer vorstellbar, dass der Fall nicht potenzielle Informanten und Reporter abgeschreckt hat».