In den überfüllten Flüchtlingslagern auf den griechischen Ägäisinseln sitzen Tausende Flüchtlinge und Migranten fest. Die Journalistin Rodothea Seralidou hat dazu auf der Insel Samos für die SRF-Sendung «International» recherchiert. Was sie berichtet, ist eindrücklich.
SRF News: Sie waren auf der Insel Samos – wie schwierig war es für Sie als Reporterin, Zugang zum Flüchtlingslager zu erhalten?
Rodothea Seralidou: Seit der Corona-Pandemie ist es unmöglich, eine Genehmigung für den Besuch des offiziellen Camps zu bekommen. Doch man darf sich legal im Aussenbereich aufhalten, wo die meisten Flüchtlinge und Migranten leben. Trotzdem unterbrachen Polizisten ein Interview mit Campbewohnern, das ich gerade führte. Sie befahlen mir, ihnen zu folgen.
Was war der Grund, dass Sie von der Polizei abgeführt wurden? Sie haben ja bloss ihre Arbeit als Journalistin gemacht?
Der strenge Auftritt der Polizisten hatte wohl zum Ziel, mich als Medienvertreterin einzuschüchtern. Die Berichterstattung über die Lager auf Samos oder Lesbos ist nicht erwünscht. Nur in ausländischen Medien wird das Thema noch aufgegriffen. In meinem Fall kam hinzu, dass ich ganz allein dort war, ohne Team, ohne Dolmetscher oder Zeugen.
Die Polizisten wollten mich wohl einschüchtern.
Man führte mich zur offiziellen Camp-Verwaltung, wo meine Personalien aufgenommen wurden. Dort bestätigte mir man aber auch, dass der Aufenthalt im Aussenbereich des Lagers nicht verboten ist. Letzten Endes durfte ich weiterarbeiten. Die Kontrolle hatte auch etwas Gutes für meine Recherche: So kam ich trotzdem ins offizielle Lager rein, um mir ein Bild der Verhältnisse zu machen.
Wie haben die Camp-Bewohnerinnen und -Bewohner auf Sie als Journalistin reagiert?
Ich habe viele Menschen angetroffen, die mir ihre Geschichte erzählen wollten. Die Menschen wollen, dass die Welt auf ihre Situation schaut. Viele waren sehr freundlich und luden mich in ihre Behausungen ein. Die meisten wollten allerdings weder ihren vollen Namen nennen noch wollten sie fotografiert werden – was ich durchaus verstehe.
Die Menschen im Camp wollen, dass die Welt auf ihre Situation schaut.
Eine Frau aus Kamerun fragte mich: «Was können Sie für uns tun?» – und ich musste sagen, dass ich bloss über ihre Situation berichten und ihr eine Stimme geben kann. Bei ihrer Asylgelegenheit könne ich ihr nicht helfen und ich könne sie auch nicht nach Westeuropa bringen. Da hat sie nur noch geschwiegen.
Seit Jahren sind die Flüchtlingslager in Griechenland überfüllt – nicht zuletzt wegen des EU-Türkei-Flüchtlingsdeals. Wie beurteilen die Griechinnen und Griechen die EU-Politik?
Sie wünschen sich eine andere Flüchtlings- und Migrationspolitik, denn derzeit wird das Problem einfach den Ländern an den EU-Aussengrenzen überlassen. Die Griechen wollen auch nicht einfach Geld aus Brüssel, und im Gegenzug die geflüchteten Menschen behalten. Die Inselbewohner wollen, dass die Flüchtlinge auf die ganze EU verteilt werden.
Überfüllte Lager, frustrierte Inselbewohner, Hoffnungslosigkeit unter den Geflüchteten.
Stattdessen werden jetzt mit EU-Geldern neue Lager auf den griechischen Inseln gebaut. Entsprechend war die Entscheidung vor fünf Jahren, dass die Flüchtlinge bis zum Asylentscheid auf den griechischen Inseln bleiben müssen, für die Inseln fatal. Das führte zu all den heutigen Problemen: Überfüllte Lager, frustrierte Inselbewohner, Hoffnungslosigkeit unter den Geflüchteten. Denn diese stecken auf den griechischen Inseln fest und müssen dort jeden Tag ums Überleben kämpfen – dabei wollen sie eigentlich nach Westeuropa.
Das Gespräch führte Teresa Delgado.